wieder beten können - Predigt Lukas 11,1-13 am Sonntag Rogate 22.5.2022

 Lesung: Lukas 11, 1-4

1 Und es begab sich, dass er an einem Ort war und betete. Als er aufgehört hatte, sprach einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger lehrte. 2 Er aber sprach zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht: Vater! Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. 3 Gib uns unser täglich Brot Tag für Tag 4 und vergib uns unsre Sünden; denn auch wir vergeben jedem, der an uns schuldig wird. Und führe uns nicht in Versuchung.

 

Liebe Gemeinde,

Kennt Ihr das? Im Supermarkt an der Kasse? Vor Euch steht eine Mutter mit ihrem kleinen Kind. Alle Waren liegen schon auf dem Band. Da entdeckt das Kind die in Kindskopfhöhe geschickt angebrachten Bonbons im Regal an der Kasse und legt schnell eine Packung auf das Band. Die Mutter sieht das noch gerade rechtzeitig und legt sie wieder zurück. „Nein!“ ruft sie energisch. „Ach bitte!“ antwortet das Kind. „Nein habe ich gesagt!“ entgegnet die Mutter und man ahnt schon dass das Kind gleich anfängt zu weinen oder wütend brüllen wird. Und jedes Mal taucht die Frage auf: wer wird gewinnen? Die Mutter oder das Kind? Was setzt sich durch? Dreistigkeit der bittenden Göre oder die Vernunft der Erwachsenen? – Szenen aus dem Alltag. Kennen wir…

 

Kennt ihr doch? Sagt auch Jesus…

 

Lukas 11,5-8

 

5 Und er sprach zu ihnen: Wer unter euch hat einen Freund und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: Lieber Freund, leih mir drei Brote; 6 denn mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann, 7 und der drinnen würde antworten und sprechen: Mach mir keine Unruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben. 8 Ich sage euch: Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, so wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, so viel er bedarf.


Bitten, Betteln, Beten hat Erfolg sagt Jesus. Entweder weil man echte Freunde hat oder notfalls siegt auch das unverschämte Drängen, bis der andere nachgibt, - allein um Ruhe zu haben. Der Erfolg der bettelnden Unverschämtheit ist offenbar uns Menschen schon seit Kindesbeinen bekannt.

 

Freilich: Die Mutter an der Supermarktkasse könnte standhalten. Nicht weil sie böse ist, sondern weil sie weiß, was für ihr Kind gut ist und was nicht. Kinder brauchen nicht unbegrenzt Bonbons. Kinder brauchen auch Grenzen. Meine Mutter sagte immer: Wünschen kann man sich alles, was man bekommt ist eine andere Sache.

 

Jesus jedoch ist verwegen. Er wirbt um Zuversicht beim Beten. Gebete werden erhört und man bekommt auch etwas.

 

Lukas 11,9-10

 9 Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. 10 Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan. 1

 

Na, wenn das so ist: Dann bitte ich doch um den Lottogewinn am Samstag; dann bitte ich für Frieden in der Ukraine. Dann bitte ich um ein Ende der Pandemie und dass die Klimaerwärmung heute noch aufhört. Ich bitte, dass die Kranken gesund werden und die Trauernden wieder Zuversicht gewinnen. Bittet so wird euch gegeben! Suchet, so werdet ihr finden! Bittet so werdet ihr empfangen. Klopft an, es wird euch aufgetan.

 

Wir wissen alle, dass es so einfach nicht geht, auch wenn Jesus an dieser Stelle den Eindruck erweckt. Wie oft habe ich als Pfarrer am Krankenbett um Heilung oder am Sterbebett um Erlösung gebetet? Jedoch: Die Krankheit wurde nicht besiegt und der Sterbende musste sich noch furchtbar lange quälen. Wie viele Friedensgebete gibt es derzeit? Und doch sterben Menschen immer noch unbarmherzig in diesem sinnlosen Krieg in der Ukraine

 

Kein Wunder, dass einer von Jesu Jüngern zu Jesus sagt: Lehre uns beten! Wie betet man richtig? Wie betet man so, dass es gut wird? Wie betet man so, dass Gebete auch erhört werden?

 

Jesus antwortet mit einem Teil des uns bekannten Vater unser:

Da geht es zuerst darum, dass man weiß, zu wem man betet: Vater, dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme!

 

Gottes Namen anzurufen ist eine besondere Angelegenheit. Beten ist also kein Geplapper und keine ritualisierte Routine. Ich finde Tischgebete manchmal zwiespältig, wenn vor dem Essen auswendig Gelerntes gebetet wird; wenn Jesus das segnen soll, was er bescheret hat; Zwiespältig ist es dann, wenn das Fleisch auf dem Teller unwürdig produziert wurde und das Obst einmal um den Erdball transportiert wurde. Dann mag ich nicht so einfach vom Segen sprechen. Tischgebete haben auch ihr Gutes. Aber Gebete entbinden uns nicht von eigener Verantwortung, denn Gott ist heilig. Beten ist ein Reden des Herzens mit Gott! So mussten es die Konfirmanden in Württemberg lernen.

 

Jesus lehrt weiter: Dein Reich komme. Das Reich Gottes ist Frieden und Gerechtigkeit. Alles wird im Einklang sein: Der Mensch wird friedlich im Einklang sein mit den Mitmenschen und mit der Natur. Im Reich Gottes wird der Mensch zu dem, was er einmal sein sollte: Ein Ebenbild Gottes. Das Reich Gottes wird einmal aus einem kleinen Senfkorn einen großen baum bilden. So drückt es Jesus ja an anderer stelle aus. 

 

Aber wir dürfen und sollen auch um das tägliche Brot bitten. Und dass uns Schuld vergeben werde weil wir auch bereit sind den zu vergeben, die an uns schuldig geworden sind. Und schließlich sollen wir nicht in Versuchung geraten. Versuchung in der Gestalt, das wir erbitten, was wir jetzt für richtig erachten und uns dann enttäuscht abzuwenden, wenn das Gebet nicht erfüllt wird. Wie ein zorniges Kind, dass seine Bonbons an der Supermarktkasse nicht von seiner Mutter bekommt.

 

Vertrauen sollen wir dennoch, dass unser Gebet erhört wird und vertrauen sollen wir, dass wir bei der Bitte um ein Ei keinen Skorpion bekommen oder statt eines Fisches keine Schlange. 


11 Wo bittet unter euch ein Sohn den Vater um einen Fisch, und der gibt ihm statt des Fisches eine Schlange? 12 Oder gibt ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion? 13 Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!


Offenbar war es notwendig, den Menschen die Wichtigkeit des Gebetes nahezulegen. Die Enttäuschung, dass Gebete nicht erfüllt werden kannte man damals und kennt man heute. Ich glaube das ist wie bei meiner Mutter: Bitten darf man immer. Was man bekommt ist etwas anderes. Aber es ist wichtig, das auszusprechen, was uns bewegt, was uns fehlt, was wir an Hoffnungen in uns tragen. Vielleicht bekommen wir nicht genau das, worum wir bitten. Vielleicht bekommen wir etwas, dessen Wert und Sinn wir erst viel später entdecken. Manchmal freilich und das wissen wir eben auch, scheinen Gebete wirklich leer in den Himmel zu gehen. Was wäre aber, wenn wir deshalb das Gebet ganz einstellen würden? Wenn wir nicht mehr darauf vertrauen könnten, dass ein Hilfeschrei auch gehört wird? Wenn wir Gott gar nichts mehr zutrauten? Wie furchtbar, wenn wir nur auf uns gewiesen wären und wir keine Adresse mehr kennen würden, an die wir unsere Sehnsüchte und Nöte richten könnten? 

 

Beten mag naiv erscheinen. Es ist schon manchmal nahezu unheimlich, wie in vor allem katholischen Wallfahrtskirchen tausende Gebete aufgeschrieben werden und mit einer zu bezahlenden Kerze erleuchtet sind. Wie befreiend ist es zu wissen, dass es Orte gibt, an denen Gottes heiliger Namen Raum hat. Wie gut ist es zu spüren, wenn Kirchräume Orte ganz neuer Einsichten und Seelenkräfte werden. Wie arm wären wir, wenn wir nur die Erkenntnis hätten, dass man da eben nichts machen kann. So ist es eben! Pech gehabt oder Glück! Das Schicksal hat es so gewollt. Ohne Gottvertrauen bleibt Sprachlosigkeit stumm zurück ohne Hoffnung und neue Kraft. So soll es bei uns Christen nicht sein. Wir dürfen Gott von Herzen bitten, wir können ihn suchen und wir werden nicht abgewiesen, wenn wir an die Himmelstür klopfen. Deshalb Rogate“, deshalb sollen und können wir fröhlich und zuversichtlich Beten. Alleine und Gemeinsam. Amen!

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