Palmsonntag 2022: Jubeln oder Klagen? zu Mt.21 Der Einzug Jesu in Jerusalem

 Ihr Lieben,

wenn da einer wäre, der den Krieg stoppen könnte: Mit Worten! Alleine mit Worten. Wenn er sagen würde: Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen. Und dann verkriechen sich vor Scham die Menschenverächter, die mit brutaler Gewalt sich Besitz und Einfluss versuchen zu sichern. Sie erstarren in Ehrfurcht nicht vor einem Panzer sondern vor einem, der auf einem Esel versucht die Welt zu verändern. Sie lassen alle vom Bösen ab. Wenn da so einer einziehen würde in Moskau, in Peking, in Damaskus, in Jerusalem - egal wo – wenn der für Frieden sorgen würde: ich würde hingehen und Halleluja schreien.

 

Wenn da einer wäre, der Blinde heilt, Stummen eine Stimme gibt, Gelähmte wieder gelenkig sein lässt, Epileptikern endlich Gesundung schenkt: nicht nur für einen sensationellen Moment, sondern die Lebensqualität dauerhaft wiederherstellt: Ich würde hingehen, mit Palmenzweigen oder Kleidung den Weg bereiten.

 

Wenn da einer wäre, der Trauer in Zuversicht wandelt und Angst in Lebensmut; der Ausgestossene in den Kreis zieht und keiner murrt deswegen; der dem Tod den Schrecken zieht: Ich würde hingehen und rufen: Gelobt sei der da kommt in dem Namen des Herrn!

 

Damals haben die Menschen so gerufen, sind zusammengekommen auf der Straße nach Jerusalem. Voller Sehnsucht, dass dieser Jesus der Friedensbote ist, der die Römer verscheucht, der die Sehnsucht nach gelungenem Leben stillt. Einige haben es selbst erlebt, wie Jesus geheilt hatte. Einige haben es gehört, wie Jesus den Frieden gepredigt hat. Andere haben es nicht selbst gehört, aber sie haben geglaubt, dass Jesus der Heiland ist, der Heil bringt in eine Welt voller Unheil. Sie haben gehofft, ersehnt, dass alles anders, alles besser wird: 

All unsre Not zum End er bringt!

Derhalben jauchzt mit Freuden singt!

Gelobet sei mein Gott

Mein Heiland groß von Tat!

 

Palmsonntag war das! Der Sonntag, bevor Jesus hingerichtet wurde. Großer Jubel ausgerechnet am Anfang der Karwoche, der Leidenswoche. Der Enthusiasmus hat einen bitteren Beigeschmack. Die Sehnsucht, der Jubel war ein Strohfeuer. Die Revolution fand und findet nicht statt. Die hier noch jubeln werden morgen von den Schreien derjenigen übertönt werden, die „Kreuziget ihn!“ brüllen. Die als nicht ganz helle aber treue Jünger beschrieben wurden, werden nächste Woche schon wegsehen und sogar ihren Herrn verleugnen.

 

Palmsonntag wird die Geschichte derjenigen erzählt, die an das Gute glauben oder geglaubt haben, daran,dass auf Unheil doch Heil folgen muss; dass Gott doch die Welt im Stich lässt; dass die Menschen doch irgendwann klug werden und das Miteinander suchen;  an die Machbarkeit des Weltfriedens, Doch dann müssen sie bitter erkennen, dass die Bösen, die Brutalen, die Machtversessenen anscheinend tun und lassen können, was ihrem Ego gut tut auch wenn Kreuze und Leid ihren Weg säumen. Wieso erkennen wir die Gewalt Putins eigentlich erst jetzt und nicht schon nach Georgien, der Krim und nach den Erfahrungen aus Syrien? Weil wir geträumt haben! Geträumt von der Kraft der Bescheidenheit, der Signalwirkung eines Esels, von Menschen, die für Frieden beten und damit Erfolg haben.

 

Heute ist Palmsonntag. Wir gehören zu denen, die gedacht haben, dass Krieg sich nicht mehr ereignen wird. Wir haben geglaubt, dass jeder Mensch ein bisschen Anstand jedenfalls in die Wiege gelegt bekommen haben muss. Wir haben gedacht, dass Worte heilen und die Vernunft regieren würde. Wir haben gedacht, dass die Medizin so weit ist, dass nie eine Seuche die ganze Welt lähmen könnte. Wir haben unsere Hoffnungen vielleicht nicht auf Gott sondern unser eigenes menschliches Tun und Denken gesetzt: Auf die Vernunft, auf die Forschung auf Mitmenschlichkeit.

 

Heute ist Palmsonntag. Grund zum Jubeln? Grund zum Dank sagen? Grund zum Hoffen? Grund zum Glauben?

Oder ist alles ein Trugschluss? Grund, das Jubeln zu begraben, Grund zum Klagen, Grund zum Verzweifeln, Grund nicht mehr an Gott zu glauben? Karwoche ohne Ostern?

 

Ich gestehe: Ich habe Probleme mit dem Palmsonntag. Auch mit den Prozessionen, an denen Tausende teilnehmen, Fotografieren, weil es eine große Show ist. Ich habe Probleme mit diesen Extremen: Mit dem Hosianna und dem Kreuziget ihn. Ich kenne die Passionsgeschichte. Ich weiß, dass nach dem Palmsonntag das Kreuz kommt. Und ich weiß, dass nach dem Kreuz Ostern folgen wird. Nicht sofort, sondern erst nach drei Tagen. Ich weiß, dass Gott uns vor dem Trugschluss bewahren will, das Licht sei ohne die Dunkelheit zu erlangen. Ostern gibt es nicht ohne Karfreitag. Ich weiß, dass wir nicht leichtfertig Halleluja oder Hosianna singen sollen, denn der Glaube wird immer herausgefordert sein durch schwere Lebenserfahrungen. Ich weiß aber auch, dass wir nicht ständig in Sack und Asche gehen sollen. Gott hat uns das Leben geschenkt, damit wir es nutzen für uns selber und für die Menschen in der Nähe und Ferne. Liebe Gott und deinen Nächsten wie Dich selbst. Auf die einfache Formel hat es Jesus zu Lebzeiten gebracht.

 

Heute ist Palmsonntag. Gradwanderung zwischen Hoffnung und bitterer Erkenntnis. Kein Grund zu sagen: Alles wird schon gut. Für mich ist Palmsonntag in diesem Jahr auch die Erkenntnis alle vermeintlichen Wahrheiten zu überprüfen. Was ist gut und hilfreich? Was ist naive Träumerei? (Frieden schaffen ohne Waffen? oder muss man wie Bonhoeffer gesagt hat: dem Rad in die Speichen fallen, weil es nicht reicht, die Verletzten zu verbinden?)

Palmsonntag stellt uns dieses Jahr vor die Frage, ob alles so bleiben kann wie bisher oder ob wir neue Wege gehen müssen. Siegt das Kreuz? Siegen die Spötter des lebens? Oder siegt die Überzeugung, der Glaube, dass Jesus trotz aller Kreuze in die Welt gekommen ist, damit Menschen Hoffnungen haben, damit Schuld vergeben werden kann, damit Umkehr möglich wird, wo wir Fehler begangen haben: Bewusst aber vielleicht auch aus einem naiven Denken heraus.

Ich möchte so gut es geht dem Herrn den Weg bereiten, damit er einziehen kann: In Jerusalem, in Kiew, in meinem und in eurem Herzen. Amen! 

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