11 Freunde müsst(et) ihr sein! Predigt über Mt.26,36-46 am 13.3.2022

Jesus in Gethsemane

36 Da kam Jesus mit ihnen zu einem Garten, der hieß Gethsemane, und sprach zu den Jüngern: Setzt euch hierher, solange ich dorthin gehe und bete. 37 Und er nahm mit sich Petrus und die zwei Söhne des Zebedäus und fing an zu trauern und zu zagen. 38 Da sprach Jesus zu ihnen: Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; bleibt hier und wachet mit mir! 39 Und er ging ein wenig weiter, fiel nieder auf sein Angesicht und betete und sprach: Mein Vater, ist's möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst! 40 Und er kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend und sprach zu Petrus: Konntet ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen? 41 Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt! Der Geist ist willig; aber das Fleisch ist schwach. 42 Zum zweiten Mal ging er wieder hin, betete und sprach: Mein Vater, ist's nicht möglich, dass dieser Kelch vorübergehe, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille! 43 Und er kam und fand sie abermals schlafend, und ihre Augen waren voller Schlaf. 44 Und er ließ sie und ging wieder hin und betete zum dritten Mal und redete abermals dieselben Worte. 45 Dann kam er zu den Jüngern und sprach zu ihnen: Ach, wollt ihr weiter schlafen und ruhen? Siehe, die Stunde ist da, dass der Menschensohn in die Hände der Sünder überantwortet wird. 46 Steht auf, lasst uns gehen! Siehe, er ist da, der mich verrät. 


Liebe Gemeinde,

„Elf Freunde müsst ihr sein, wenn ihr Siege wollt erringen!“ Das ist ein bekannter Spruch aus der Fußballwelt; mehr als hundert Jahre alt, eingraviert in die erste deutsche Meister-schaftsschale. Sepp Herberger, der ehemalige Bundestrainer soll das zur Motivation seiner WM Jungs auch gesagt haben und dazu: Und wenn ihr Dienstags und Donnerstags trainiert und die anderen an den anderen Tagen ihrem Vergnügen nachgehen, so sollt ihr dann auch trainieren, wenn ihr Profis werden wollt. In Bern hat Deutschland dann überraschend die WM gewonnen. Nach dem Sieg bei der Fußball WM 1954 kassierte Deutschland allerdings gleich eine Niederlage gegen Belgien. Die 11 Freunde waren nicht wachsam genug, weil sie sich noch in ihrem Glanze aalten.

 

Freunde sind etwas anderes als Bekanntschaften. Freunde sind auch etwas anderes als Kumpel. Freunde sind die, auf die man sich verlassen kann; die da sind und zuhören können und dich nicht gleich mit Ratschlägen zudecken. Zu echten Freunden kannst Du im Notfall immer gehen, auch mitten in der Nacht. Aber mal ehrlich: Solche Freundschaften sind eher selten. Die wenigsten von uns werden auf 11 Freunde kommen, auf die man sich hundertprozentig verlassen kann.

 

Jesus nimmt seine 11 Jünger mit in den Garten Gethsemane am Ölberg, vor der großen Stadt. Wir sagen immer Jünger. Das versteht heute keiner mehr. Nachfolger waren sie. Sie sind durch dick und dünngegangen. Haben sich voll auf Jesus verlassen. Aber waren sie auch Freunde? Gerade hat Jesus noch mit ihnen das Passahmahl gefeiert. Jenes Mahl, dass die Juden an die Befreiung aus Ägypten erinnert. Doch bei diesem Essen deutet Jesus an, dass er das Lamm sein wird, das geopfert wird. Jesus hat seinen eigenen Tod vor Augen. Aber Petrus beteuert seine Freundschaft zu Jesus: Er sagt: „Und wenn ich mit dir sterben müsste, werde ich dich nicht verlassen.“ Solche Menschen bräuchte man, die auch in bitterster Not nicht weglaufen. Solche, die am Ende dir noch die Hand halten, damit du nicht alleine stirbst. Und wanderte ich schon im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir! Psalm 23.

 

Offenbar traut Jesus nicht allen seinen 12 Jüngern diese Freundschaftsfähigkeit zu. Judas war ja schon davon gelaufen, enttäuscht und bereit, Jesus zu verraten. Da waren´s nur noch 11 Jünger. Doch auch von ihnen will Jesus nur seine engsten Freunde dabei haben: Petrus, Johannes und Jakobus. Die ersten Nachfolger. Mit ihnen war er die längste Zeit zusam-men. Vor ihnen zeigt Jesus seine ganze Angst und Sorge: „meine Seele ist betrübt bis an den Tod, bleibt hier und wach-et mit mir.“ In Jesus ist nichts göttliches mehr. Da ist nur tiefe Angst und Sorge. Menschliche Abgründe tun sich auf. Gut, wenn man zumindest drei Freunde hat, auf die man sich verlassen kann; denen man sagen kann, was einen bedrückt. Die Not aushalten können.

 

Jesus zieht sich zurück. Er will alleine sein, alleine mit Gott. Alleine im Garten. Ich erinnere mich, wie mein Vater manch-mal mit sehr betrübten Gesicht in den Garten ging. Und wenn wir Kinder die Mutter fragten, was denn mit Vater sei, sagte sie nur: Der muss mal alleine sein. Später wusste ich, dass auf seiner Seele die Erlebnisse aus dem Krieg und aus der russischen Gefangenschaft lasteten. Er hatte einen Freund aus der Kriegszeit. Das war wohl der einzige, der nachfühlen konnte, was mein Vater erlebt hatte. Und manchmal ist man eben alleine. Grübelt, betet, wünscht sich, dass der Kelch endlich vorrübergeht, auch aus den Gedanken.

 

Jesus hat keinen Freund, an den er sich mit seinen quälenden Gedanken wenden kann. Als er zurück kommt, schlafen die, auf die Jesus meinte sich verlassen zu können. Ich höre die Enttäuschung: „Konntet ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen? Wachet und betet, damit ihr nicht in Anfechtung fallt.“ Eigenartig, dass Jesus in seiner bittersten Stunde immer noch das psychische Wohl auch seiner Jünger im Blick hat. Wachet und betet, damit Euch jedenfalls der Tod, das Kreuz nicht vom Glauben wegbringt.

 

Dreimal betet Jesus, dass der Kelch an ihm doch vorrüber-gehen möge. Dreimal ahnt Jesus, dass dies nicht der Fall sein wird. Dreimal beten und dreimal keine Antwort von Gott. Dreimal muss Jesus erleben, dass seine Freunde nicht mit ihm wachsam sind. Dreimal enttäuschte Freundschaft. Wem kann man vertrauen? Wer bringt einen zurück in das Leben?

Darum geht es an diesem Sonntag. Wir sind noch nicht in der Karwoche, nicht am Gründonnerstag. In der Karwoche spielt Jesus in dieser Geschichte die Hauptrolle. An diesem Sonntag heute geht es aber anscheinend einzig und alleine um uns. Um unsere Fähigkeit echte Freunde zu sein. Freunde in unserem Umfeld; Freunde der Menschheit und damit auch Freunde gegenüber Gott. Wenn einer fragen würde: Bist du ein Menschenfreund? Dann würde doch jeder sagen: ja klar! Und wenn man dich weiterfragen würde: Kann ich dir wirklich vertrauen? kann man zu dir kommen, auch mitten in der Nacht? Wärest Du bereit einen Flüchtling aufzunehmen? Was tust du, damit das Kriegselend ein Ende hat? Was tust Du, damit die Wahrheit und nicht die Lüge siegt? – Da würden die meisten ins Grübeln kommen und wir würden merken, dass es leicht ist zu sagen: Ich bin ein Menschenfreund. Zu oft schlafen wir. Sind nicht wachsam, Haben das Beten aufgegeben. Manchmal gelingt es und sehr oft aber eben nicht. Und wir spüren die Spannung in uns zwischen Nächstenliebe und Liebe zu sich selbst. Wann ist die Zeit, in der man den wohlverdienten Schlaf bekommt und wann ist die Zeit, in der man wachsam für andere sein muss? 

Angehörige, die jemanden pflegen kennen das. Sie finden oft keinen Schlaf, weil sie ständig wachsam sein müssen. Wer nur alles für sich in Anspruch nimmt ist Egoist. Wer aber immer nur gibt, kann sein Ich auch verlieren.

Vielleicht ist das der Grund dafür, dass die Jünger schlafen. Sie sind ausgelaugt. Sie haben soviel Zeit mit Jesus verbracht. Sie sind gelaufen, sie haben stundenlang Predigten zugehört. Sie haben Kranke mit begleitet und sich Behinderten zugewandt. Nirgendwo steht sonst in der Bibel, dass die Jünger sich einmal schlafen gelegt hätten. Jetzt können sie nicht mehr.

            Jetzt können sie nicht einmal mehr mit dem wachen und für den beten, dem sie die ganze Zeit voll Überzeugung und Glauben nachgefolgt sind. Soviel haben sie empfangen. Was können sie zurückgeben?

 

Der schöne Garten Gethsemani wird zum Ort großer Unzulänglichkeit, zum Ort der bitteren Erkenntnis, zum Ort verpasster Chancen im Leben. Der Sonntag heute heißt Reminscere: Gott erinnere Dich deiner Barmherzigkeit.

 

So spricht ein Mensch, wenn er mit seiner Kraft am Ende ist. So spricht jemand, der weiß, wenn auch alles herum zerbricht, dann will ich doch immer noch auf Gott vertrauen. Auch wenn der bittere Kelch an mir nicht vorrübergehen wird, so erinnere Dich doch deiner Barmherzigkeit Gott.

 

In einem sehr schönen Abendlied in unserem Gesangbuch heißt es treffend:

Bleib bei uns Herr! Der Abend bricht herein. Es kommt die Nacht, die Finsternis fällt ein. Wo fänd ich Trost, wärst Du mein Gott nicht hier? Hilf dem der hilflos ist: Herr bleib bei mir!   Amen!

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