Schlechte Nachrichten: Jesu leidensankündigung und der Krieg in der Ukraine,Predigt über Mk.8,31-37 am 27.2.2022

DIE ERSTE ANKÜNDIGUNG VON JESU LEIDEN UND AUFERSTEHUNG

(Mt 16,21-23Lk 9,22)

31Und er fing an, sie zu lehren: Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen.

 32Und er redete das Wort frei und offen. Und Petrus nahm ihn beiseite und fing an, ihm zu wehren. 33Er aber wandte sich um, sah seine Jünger an und bedrohte Petrus und sprach: Geh hinter mich, du Satan! Denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.

34Und er rief zu sich das Volk samt seinen Jüngern und sprach zu ihnen: Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. 35Denn wer sein Leben behalten will, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird’s behalten.

36Denn was hilft es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen und Schaden zu nehmen an seiner Seele? 37Denn was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse?

 Liebe Gemeinde,

Wir sind erschüttert über den russischen Angriff auf die Ukraine und stehen klagend vor Gott. Nie haben wir uns vorstellen können, dass noch einmal ein Krieg in Europa begonnen wird.“

Das schreibt der württembergische Landesbischof Otfried July am Donnerstag, als der russische Angriff auf die Ukraine begann.

Nie wieder Krieg hieß es nach 1945. Es war ein gutes Zeichen für Frieden und staatliche Souveränitäten, dass Europa nach dem 2. Weltkrieg zusammengewachsen ist, dass die Vereinten Nationen sich um diplomatische Lösungen trotz aller Konflikte bemühen. Es ist gut zu wissen, dass es einen internationalen Gerichtshof gibt, der Kriegsverbrechern den Prozess machen kann. Wir waren dankbar, dass der kalte Krieg 1989 beendet wurde. Wir haben die Bundeswehr immer weiter reduziert und gesagt, wir sind ja von Freunden umgeben. Doch jetzt wissen wir: Dieses blinde Vertrauen, dass es immer friedlich bleibt, war ein naiver Traum. Ja es stimmt: Wir haben uns nicht vorstellen können, dass noch einmal Krieg in Europa sein würde.

 

Der Krieg ist aber ja nicht die einzige schlechte Nachricht, die alles durcheinanderwirbelt. Fast genau 2 Jahre ist es her, dass wir vom Vordringen eines Virus hörten. Ich erinnere mich noch an meine Predigt damals. Ich hatte vor Panik gewarnt und um Gottvertrauen geworben. Ich war naiv. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es heutzutage eine Krankheit geben würde, die die ganze Welt bedroht und noch mehr Tote gefordert hat, wie viele Kriege zusammen.  Dazu kommen die unerträglichen Nachrichten von Uneinsichtigen, die Corona nutzen, um Proteste ganz anderer Art vorzubringen. Mit den falschen Nachrichten auf Twitter und Telegram. Immer wieder begegne ich Menschen, die sagen: Ich muss mich nicht impfen lassen. Ich werde ja nicht erkranken. 

Wir Menschen sind voll Sehnsucht, dass uns nichts passieren kann, daß letztlich alles gut wird. 

 

Wir sind Künstler im Verdrängen. Wir haben uns daran gewöhnt, dass man sich gegen fast alles versichern kann. Wir gehen davon aus, dass uns Krankenhäuser, Pflegekräfte, gute Seniorenwohnheime immer offen stehen. Wir haben uns an eine Freiheit gewöhnt, die so selbstverständlich ist. Wir sind naiv, wenn wir meinen, dass gäbe es alles gratis! Schlechte Nachrichten passen uns nicht ins Bild.

 

Wir groß muss die Sehnsucht nach einem heilen und erfüllten Leben erst da sein, wo Menschen täglich Mangel leiden? Petrus lebte in so einer Zeit. Militärische Gewalt war in Israel und Galiläa täglich zu spüren. Die Römer waren in viele Länder einmarschiert und hatten Vasallen an die Macht gebracht. Aber auch Krankheiten bestimmten das Leben. Aussatz (Lepra) galt als Seuche. Kontakte zu erkrankten Menschen mussten unter allen Umständen vermieden werden. Und Behinderte mussten Betteln gehen, weil es keine Diakonie oder Caritas gab.

 

Und dann kommt einer daher, der diesen Menschen nicht ausweicht. Er heißt Jesus. Er hört den Menschen zu, er begegnet ihnen mit liebevoller Zuwendung. Er streckt seine Arme aus, legt Hände heilend auf, spricht heilende Worte. Er holt die zu sich, die vorher ausgestoßen waren. Er fordert zur Versöhnung auf, zum Miteinander. Selig sind die Frieden stiften. Selig sind die da hungert und dürstet nach Gerechtigkeit. 

 

Petrus folgt diesem Jesus nach. Er spricht es aus, was viele denken: Wer es schafft mit Worten und friedlichen Gesten zu heilen und so viel Hoffnung zu verbreiten, Wer sich beispiellos für Frieden und Liebe in der Welt einsetzt, der muss Gottes Sohn sein. „Du bist der Christus!“ ruft Petrus voller Überzeugung (kurz vor der Konfrontation mit Jesus)

 

Petrus konnte sich nicht vorstellen, dass Jesus Christus, Gottes Sohn, statt weiter zu heilen und Hoffnung zu verbreiten, selber leiden würde, ja hingerichtet werden könnte, wie ein Schwerverbrecher. Deshalb nimmt er ihn beiseite und sagt zu Jesus: „Das kann nicht sein! Sag nicht, dass alle unsere Hoffnung und Zuversicht ein Ende haben könnte. Sag nicht, dass das wahr ist und Du getötet wirst!“

 

Jesus reagiert darauf scharf. „Weiche von mir Satan!“ So spricht nicht der Jesus, den ich meine zu kennen. So spricht auch nicht der Jesus, der zuvor Liebe und Versöhnung predigt. Das passt nicht zu der Aussage, dass die Sanftmütigen das Erdreich besitzen werden. Wie Petrus habe ich mich daran gewöhnt, dass Jesus immer offene Arme hat, dass jeder zu ihm kommen darf, wie er oder sie ist. Ich habe mich daran gewöhnt, dass -wer wie Petrus - Christus bekennt, getrost davon ausgehen darf, dass persönliche Fehler und Schwächen nicht angerechnet werden. Doch das ist anscheinend auch naiv. Jesus reagiert scharf und abweisend auf naive Träumerei!

 

Es mag uns passen oder nicht: Jesus räumt mit dem Gedanken auf, dass mit dem Glauben an Gott schon alles gut wird. Jesus ist Realist und erkennt, dass das Böse in der Welt ist. Es wäre naiv zu glauben, dass alle Menschen das Interesse haben, friedlich miteinander zu leben. Jesus benennt die Täter: Er wird getötet und abgeurteilt werden, von den Ratsältesten, und den führenden Priestern und den Gesetzeslehrern. Alles Gruppen, die damals am eigenen Machterhalt klebten und bereit waren, dafür über Leichen zu gehen. Diese sind anscheinend nicht tot zu kriegen. Sie stehen immer wieder auf. Sie begegnen uns in der Religion, aber eben auch als Präsidenten mächtiger Staaten. Sie beginnen Kriege und verbreiten Lüge und Ungerechtigkeit. Wir waren naiv, wie Petrus, als wir meinten, Europa würde keinen Krieg mehr erleben müssen.

 

Was aber ist nun zu tun? Worauf können wir Vertrauen setzen? Was rettet uns trotz der Nachrichten über Leid und bevorstehendes Übel die Zuversicht?

 

Jesus spricht es nochmals deutlich aus: Wer meint, alles könne so bleiben - die Lebensart, die Lebenseinstellung, der Glaube, dass uns schon nichts passieren wird - , der wird sein Leben verlieren: Jeder nehme sein Kreuz auf sich und folge Jesus nach. 

Es wird sich letztlich auszahlen, wenn man Leiden nicht verdrängt, sondern sich den Herausforderungen des Lebens stellt. Ich mag die Worte Jesu dennoch nicht: Ich will mich nicht verleugnen. Ich habe auch Sorge, dass schlimme Nachrichten, - das Kreuz - zu schwer sein könnte und ich es weder tragen noch ertragen kann. Ich möchte mein Leben nicht verlieren. Ich möchte Verantwortung behalten für mein Leben und für das Leben anderer, für die ich mich mit verantwortlich fühle. Ich wünsche mir eine Kirche, die Ja sagt, zu allem, was Heilung bringt und einen friedvolles Miteinander ermöglicht. Und ich wünsche mir eine Kirche, die deutlich Nein! sagt, wo Menschen Leiden und abgeurteilt  werden.

Aber ich weiß auch, dass wir trotz allem Bemühen unsere Seele nicht auslösen können. Pazifismus hat eine edle Seite. Aber wenn wir keine Waffe in die Hand nehmen wollen und deshalb zuschauen, wie andere getötet werden, dann ist auch ein Pazifismus schuldbeladen! Es ist naiv, wenn wir meinen schuldlos bleiben zu können und eine saubere Seele zu bewahren!  Demut und Bescheidenheit sind angesagt, ohne dass wir uns kleiner machen müssten als wir sind. Aber wir können das Heil auf Erden nicht allein mit gutem Willen und nicht mit Glauben und Gottvertrauen herstellen. Wir müssen realistisch sein. Wir müssen unser Kreuz auf uns nehmen. Immerhin: Die Hoffnung scheint durch die Sorge hindurch: Nach Jesu Tod am Kreuz, nach dem bitteren Karfreitag wird es ein Ostern geben. Die den Tod und das Verderben bringen, werden nicht das letzte Wort haben. Daran will ich glauben und darauf möchte ich meine Zuversicht setzen. Schlimme Nachrichten wird es immer geben. Aber die Hoffnung stirbt nicht. Nie! Es bleiben: Glaube, Hoffnung, Liebe: diese drei. Ich weiß nicht, was davon das größte ist.

Amen!

 

 

 

 

Fürbittengebet:

Wir sind erschüttert über den russischen Angriff auf die Ukraine und stehen klagend vor Gott.

Nie haben wir uns vorstellen können, dass noch einmal ein Krieg in Europa begonnen wird.“

 

Wir denken im Gebet an die Menschen, die in all dies Schreckliche verwickelt sind, als Betroffene und Opfer von den Angriffen und als solche, die daran mitwirken.

Wir hoffen und beten, dass noch Vernunft einkehren möge, ein Stopp der Angriffe erfolgt, eine Umkehr zum Frieden.

 

Wir bitten unsere Geschwister in der Ökumene, besonders in den orthodoxen Kirchen, alles für den Frieden zu tun, zur Verständigung zu rufen, darauf hinzuwirken, dass das Kämpfen sofort aufhört.

 

Wir stimmen ein in das Kyrie, mit der Melodie des orthodoxen Gebetsrufs aus der Ukraine (EG 178.9): Herr, erbarme Dich!

 

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