Hebr.4,12+13 Lebendig und kräftig und schärfer...

 Es gibt Worte, die sind in die Geschichte der Menschheit eingeschnitten: „I have a dream!“ von Martin Luther King, oder auch: „Wir schaffen das!“ Das hatte Angela Merkel als Kanzlerin im Sommer 2015 angesichts des Zustroms von Flüchtlingen gesagt. Sie hat diesen Satz noch ergänzt: „Wir haben soviel geschafft, das schaffen wir auch. Und wo Dinge im Wege stehen müssen wir sie aus dem Weg räumen!“ Aber der Satz „Wir schaffen das!“ ist wie ein Wort in die Geschichte eingegangen. Andere haben dieses Motto verändert: „Wir schaffen das nicht ohne weiteres!“ hat Tübingens Bürgermeister Palmer gesagt. Und Alexander Gauland von der AfD tönte: „Wir wollen das gar nicht schaffen!“

Damals hat die schwierige Lage ein Leitwort bekommen. Es musste eine klare Aussage her. Manchmal ist Diplomatie gut und hilfreich. Manchmal muss man aber auch Klartext reden. Smalltalk oder hohle Floskeln helfen nicht. Natürlich scheiden sich dann an scharfen Worten die Geister. Für und Wider; wenn Argumente ausgetauscht werden, wenn diskutiert wird, dann ist es gut. Diplomatie hat das Ziel Lösungen zu erreichen auch wenn man dafür Kompromisse eingehen muss. In politischen Resolutionen wird oft um einzelne Worte gerungen. Manchmal allerdings kommt dann am Ende nur Brei heraus. Da gibt es dann viele Worte auf dem Papier und es wird doch nichts gesagt.

 

Das ist bei Gottes Wort anders. Am Anfang der Bibel sagt Gott nur ein Wort: „Licht!“ Aber dieses Wort verändert. Das Chaos ordnet sich. Gottes Wort scheidet Licht und Finsternis. Es entstehen Tag und Nacht.

Gottes Wort schafft Leben. Das Wichtigste bei der Taufe sind für mich die Worte Jesu aus den letzten Versen des Matthäusevangeliums. Ich spreche diese Worte gerne bei Kindern am Anfang des Lebens: Jesus Christus spricht: „Siehe, ich bin bei Dir alle Zeit bis an das Ende der Welt.“ Worte die behüten; Worte die Aufrichten; Worte, die Mut machen. Dann ist es, als ob Gott sagt: „Was auch immer Dir im Leben bevorsteht. Ich bin an deiner Seite. Wir schaffen das!“

 

Das Wort Gottes ist lebendig und kräftig!

 

Freilich: Gottes Wort ist auch scharf. Wenn die Propheten Jesaja oder Jeremia, Amos oder Hosea Gottes Worte verkündigen:  So geht das nicht! Ihr werdet untergehen, wenn ihr nicht für Gerechtigkeit im Volk sorgt. Dann hat auch das Folgen; dann rücken die auf den Plan, die sich durch Gottes Wort gestört fühlen: „Lass uns zufrieden mit Gott. Wir machen das, was uns Vorteile bringt.“ Wir zuerst. „America first!“ Auch so ein Wort, das leider unsägliche Geschichte geschrieben hat und Gottes Wort von der Liebe zu seiner ganzen Schöpfung total widerspricht.

 

Gottes Wort ist schärfer als jedes zweischneidiges Schwert, heißt es im Predigttext. Es dringt durch! Durch Mark und Bein, durch Seele und Geist! Es seziert förmlich, was da großprotzig und laut daher kommt.

 

Gottes Wort ist schärfer… Es ist ein Richter der Gedanken und des Herzens. Gottes Wort bedeutet nicht, dass wir es auf unsere Seite ziehen und es benutzen um unsere Meinung zu unterstützen. „Das Leitwort deutscher Soldaten im ersten Weltkrieg: Mit Gott auf unserer Seite! Führt ins Verderben. Im Hören auf Gottes Wort geht es letztlich nicht darum, wie wir etwas beurteilen, sondern wie wir beurteilt werden. Es geht nicht darum welches Ansehen wir vor den Leuten haben, sondern wie wir von Gott gesehen werden. Gott brüllt Dir nicht ins Ohr was zu tun ist oder was nicht. Wer Gottes Wort hören und verstehen will, braucht dafür oft eher Stille als Remmidemmi. In jedem Fall sieht man nicht nur mit dem Zweiten, sondern vor allem mit dem Herzen besser.

 

Ich sehe mit Sorge, dass oft diejenigen anscheinend das meiste Gehör bekommen, die am lautesten schreien. Ihre Worte schaffen aber kein Leben; sie sind auch nicht kräftig, um etwas Gutes entstehen zu lassen. Viele Proteste in der Flüchtlings und Coronakrise gehen immer mehr einher mit Waffen und Gewalt. Leider hat es nicht nur Gewaltdrohungen gegen Menschen gegeben, sondern auch schon schlimme Verletzungen und Tötungen. Politiker, aber auch Busfahrer oder Ärzte, Tankstellenangestellte und andere gehören dazu. Letzte Woche hat es in Granadilla eine Bombendrohung gegeben, weil in einer Schule Kinder und Jugendliche in einer Schule eine Coronaimpfungen hätten bekommen können. Und da wo Die Schreihälse ihre Parolen im Internet meinen anonym absetzen zu können, fühlen sie sich besonders stark. Sie wollen Angst verbreiten, einschüchtern.

 

Der Hebräerbrief mahnt: Kein Geschöpf ist vor Gott verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft geben müssen.

 

Das gilt aber nicht nur für andere. Das gilt auch für Dich und mich. Wonach richte ich mein Leben aus? Auf Gottes Worte der Liebe, der Versöhnung? Des Friedens und der Gerechtigkeit? Tue ich etwas um die Schöpfung zu bewahren? Ist für mich das Ansehen vor den Leuten wirklich wichtig? Oder die soziale Absicherung, egal was es kostet? Habe ich mich wirklich entschieden, an welchem Wort ich mein Leben ausrichte? Oder bin ich mal ein bisschen dieses und mal ein wenig das? Ertappe ich mich dabei, dass ich Gutes wollte und Dummheiten begangen habe? Wer sind wir? Wer bin ich? Gut? Böse? Feige? Mutig? Voll Glaube oder voll Zweifel?

Ich möchte schließen mit Worten von Dietrich Bonhoeffer, die er im Gefängnis in der Zeit des Hitlerdeutschlands geschrieben hat. Das Gedicht heißt: Wer bin ich?

 

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,

ich träte aus meiner Zelle

gelassen und heiter und fest,

wie ein Gutsherr aus seinem Schloß.

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,

ich spräche mit meinen Bewachern

frei und freundlich und klar,

als hätte ich zu gebieten.

 
Wer bin ich? Sie sagen mir auch,

ich trüge die Tage des Unglücks

gleichmütig lächelnd und stolz,

wie einer, der Siegen gewohnt ist.

 
Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?

Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß?

Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig,

ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle,

hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen,

dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe,

zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung,

umgetrieben vom Warten auf große Dinge,

ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne,

müde und leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen,

matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen?
 
Wer bin ich? Der oder jener?

Bin ich denn heute dieser und morgen ein andrer?

Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler

Und vor mir selbst ein verächtlich wehleidiger Schwächling?
Oder gleicht, was in mir noch ist, dem geschlagenen Heer,

das in Unordnung weicht vor schon gewonnenem Sieg?
 
Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott.

Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott! 

 Amen!

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