Der Hauptmann von Kapernaum 3. Sonntag nach Epiphanias

Der Hauptmann von Kapernaum

Mt.8,5 -13

Als aber Jesus nach Kapernaum hineinging, trat ein Hauptmann zu ihm; der bat ihn 6 und sprach: Herr, mein Knecht liegt zu Hause und ist gelähmt und leidet große Qualen. 7 Jesus sprach zu ihm: Ich will kommen und ihn gesund machen. 8 Der Hauptmann antwortete und sprach: Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund. 9 Denn auch ich bin ein Mensch, der einer Obrigkeit untersteht, und habe Soldaten unter mir; und wenn ich zu einem sage: Geh hin!, so geht er; und zu einem andern: Komm her!, so kommt er; und zu meinem Knecht: Tu das!, so tut er's. 10 Als das Jesus hörte, wunderte er sich und sprach zu denen, die ihm nachfolgten: Wahrlich, ich sage euch: Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden! 11 Aber ich sage euch: Viele werden kommen von Osten und von Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen; 12 aber die Kinder des Reichs werden hinausgestoßen in die äußerste Finsternis; da wird sein Heulen und Zähneklappern. 13 Und Jesus sprach zu dem Hauptmann: Geh hin; dir geschehe, wie du geglaubt hast. Und sein Knecht wurde gesund zu derselben Stunde. 

„Und grüß Esther von mir!“ rief Aaron Daniel zu, als sie sich verabschiedeten. Im Hause von Aaron feierten sie seit ein paar Wochen Gottesdienst. Aaron hatte ein großes Haus. Er war gebildet und konnte als Schreiber in Damaskus gutes Geld verdienen. Davon konnte Daniel nur träumen. Er war 16 Jahre alt. Alles was er hatte war in Jerusalem geblieben und wahrscheinlich zerstört oder gestohlen. Daniel und seine kleine Schwester Esther mussten vor einem Jahr aus Jerusalem fliehen. Immer wieder war es zu Übergriffen durch radikale Juden gekommen. Die Anhänger des Rabbi Jeshua aus Nazareth waren ihnen ein Dorn im Auge. Daniel konnte das nicht verstehen. Er und seine Familie waren doch auch Juden! Sie kochten koscher und sie hielten sich an den Sabbat. Sie gingen in die Synagoge. Daniels Familie aber glaubte, dass Rabbi Jeshua nicht nur ein besonderer Mensch war, sondern tatsächlich der Messias. Rabbi Jeshua, den man im Griechischen Jesus nannte, vollbrachte Wunder; Hunderte hörten seinen Predigten zu. Man spürte: Rabbi Jeshua ging es um den Menschen. Die jüdischen Gesetze dienten dem Menschen, sagte er, und nicht der Mensch den Gesetzen. Rabbi Jeshua kannte keine Grenzen und keine Scheu auf Menschen zuzugehen, die sonst keiner wollte:  Prostituierte, Zöllner, Ausländer und Aussätzige. Männer und Frauen und sogar die Kinder ließ er zu sich kommen. Von Jeshua ging eine unglaubliche, wunderbare Liebe aus. Natürlich provozierte Jeshua und bekam mächtig Ärger mit den Ultrafrommen. Sie sagten: Die Regeln müssten eingehalten werden. Wer das nicht tut, schädigt das ganze Volk. Die Religionspolizei war überall zugegen. Und wenn es sein musste, schwärzten die Ultrafrommen ihre Gegner auch bei den römischen Behörden an. Daniels Eltern wollten aber trotzdem zu denen gehören, die Jeshua nachfolgten. In der Nähe von Jeshua fühlte man sich frei. Es machte Spaß ihm zuzuhören und im Nachbarn seinen Nächsten zu entdecken. Es war doch viel besser zu vergeben, als immer Böses mit Bösem zu vergelten. Sie folgten ihm nach, auch als man Jesus verhaftete und am Kreuz vor der Stadt ermordete. Einige berichteten, dass Jeshua wieder von den Toten auferweckt worden sei und mehreren Frauen und Männern leibhaftig erschienen sei. Natürlich konnte Daniel das nicht recht glauben. Die Auferweckung der Toten sollte doch erst am jüngsten Tag geschehen. Aber Daniel dachte: wer so viel Liebe gibt und Gebrechen heilt, der darf nicht bei den Toten bleiben. Der muss leben.

Aber dann überfielen eines Nachts Leute das Haus von Daniels Familie. Daniel konnte in der Dunkelheit nicht sehen, ob es Juden waren oder römische Soldaten in Zivil. Daniel schnappte sich seine kleine Schwester Esther und floh aus dem Haus. Die Eltern hatten sie nie wieder gesehen.

Gott sei Dank kannte er andere, die Jeshua nachfolgten. Aaron, der Schreiber war einer von ihnen. Mit knapp hundert Menschen, die sich nun Christen nannten, zogen sie von Jerusalem nach Syrien in die Stadt Damaskus. Dort wären sie vor Übergriffen sicher! hieß es. Allein: Die kleine Esther hatte sich bei der Flucht verletzt. Sie hatte Schwierigkeiten zu gehen, litt unter Schmerzen und was noch schlimmer war: Sie sprach seit dem Überfall kein Wort mehr.

„Grüß Esther von mir!“ hatte Aaron also gesagt am Ende des Gottesdienstes. Daniel lächelte, aber er war verstört. Im Gottesdienst hatte der Leiter der Gemeinde, ein gewisser Matthäus, die Geschichte vom römischen Hauptmann in Kapernaum erzählt. Der hatte ein Kind, das gelähmt war, Schmerzen hatte und nicht gehen konnte, genau wie Esther. Der Hauptmann hatte Jesus gebeten, nur ein gutes Wort zu sagen. Das würde dem Kind helfen. Jesus hatte sich gewundert über diesen Glauben, den er sonst nirgendwo gefunden hatte. – Daniel fragte sich, ob er selber nicht  genug glauben würde. Wer kann eigentlich sagen, was genug Glauben ist? Immer in den Gottesdienst gehen? Täglich beten? Fasten? Spenden? Jeden Tag eine gute Tat? So oft hatte er gebetet, dass seine kleine Schwester wieder gesund werden würde, laufen könnte und sprechen. Alles würde er dafür tun, wenn Jesus ihm und seiner Schwester Heilung schenken würde. Doch nichts passierte. Was Daniel aber wirklich verwirrte und Angst machte war die Aussage vom Gemeindeleiter Matthäus, dass die Kinder des Reiches - und das waren doch sie, die Juden, - in der Finsternis landen würden. Matthäus konnte das schaurig erzählen: Finsternis und Heulen und Zähneklappern. Wie konnte man bloß so glauben lernen, dass heil würde, was im Leben von ihm und Esther so zerstört worden war? 

Daniel war so in seinen Gedanken versunken, dass er erschrak, als eine Hand sich sanft auf seine Schulter legte. Es war noch einmal Aaron. „Daniel!“ sagte er, „ich sehe, Du machst Dir Sorgen wegen Deiner Zukunft und Deiner Schwester! Gib nicht auf! Glaube daran, dass Gott Deine Gebete erhört. Denk an den römischen Hauptmann, von dem Matthäus berichtet hat. Gott kennt einen Weg auch für Dich. Wirf Dein Gottvertrauen nicht weg! Wir brauchen doch Mutmachgeschichten und keine Wegwerfgeschichten!“

Daniel lächelte unsicher und machte sich auf den Weg zu dem, was nun sein Zuhause war. Es war eine Bretterbude am Rande der Stadt. Als er den Verschlag sah, staunte er nicht schlecht. Da stand seine Schwester und bei ihr ein römischer Soldat mit seiner Familie. Irgendwo in der Nachbarschaft hatte Daniel vor ein paar Tagen schon gesehen. Aber er war ihm ausgewichen. Trau einem römischen Soldaten nicht über den Weg, dachte er.  „Endlich kommst Du!“ sagte der Soldat. „Ihr beide könnt hier nicht bleiben! Deine Schwester braucht Hilfe. Das Bein muss heilen, sonst gibt es Entzündungen. Kommt zu uns, wir haben da ein Zimmer frei.“ Esther  lächelte ihren Bruder an und hob den Daumen. Das war mehr als ein gesprochenes Wort. Das hieß: Danke! Und: Wir packen das!  Daniel erinnerte sich an Aarons Worte: „Wir brauchen Mutmachgeschichten und keine Wegwerfgeschichten!“ Manchmal enden Geschichten ganz anders, als der Mensch es sich ausdenkt, murmelte Daniel. Hatte Jesus in der Geschichte das gemeint, als er zu dem Hauptmann in Kapernaum sagte:

„Geh hin! Dir geschehe, wie du geglaubt hast!“

 

Amen!

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