Vertrauensvoll mit Leben und Sterben umgehen Vokstrauertag 2021 2. Kor. 5

 Liebe Gemeinde,

„die wollen mich da oben noch nicht haben!“  An diese Worte erinnere ich mich, nachdem ich meinen Vater das letzte Mal gesehen hatte. Er war 90 Jahre alt und lag im Krankenhaus. Geistig war er noch ganz da. Aber er war müde. Aufstehen konnte er schon länger nicht mehr. Er war auf jegliche pflegerische Hilfe angewiesen. Er:  der, den Krieg und die Gefangenschaft in Russland überlebt hatte. Mein Vater und ich wussten beide, dass der Tod schon vor der Tür stand. Aber noch „wollten die da im Himmel ihn nicht haben.“

 

Altern ist nichts für Feiglinge. Alt werden ist kein Geschenk sondern eine Aufgabe. All diese Sprüche reden davon, dass unser Körper im Laufe der Jahre nicht heiler wird, sondern dass sich immer mehr Probleme anhäufen. Früher war man mit 40 oder 50 Jahren schon alt. Die Medizin, Hygiene, Technik und Ernährung haben dafür gesorgt, dass wir immer älter werden können. In Deutschland werden Männer durchschnittlich 79 Jahre alt Frauen 84 und in Spanien lebt man statistisch sogar noch länger. (83/86) Ich finde das gut. Trotzdem kommt irgendwann der Zeitpunkt, an dem das Leben auch zur Qual werden kann. Wie oft habe ich das von Sterbenden und deren Angehörigen gehört: „Wir warten auf Erlösung.“ Oder: „Der Tod kam als Erlösung!“ Das Alte Testament kennt das Wort „lebenssatt“. Das heißt nicht „lebensmüde“! Lebenssatt heißt vielmehr, dass das Leben angefüllt ist mit Erfahrungen, guten und schlechten, mit Liebe und mit bewältigter Enttäuschung; mit Möglichkeiten, von denen unsere Vorfahren noch nicht einmal zu träumen gewagt hatten.  Mehr geht eigentlich nicht im Leben sagen wir ja manchmal, wenn das Leben reich beschenkt war. Lebenssatt: Bereit dafür, das Zelt des Lebens abbauen zu lassen. Das meinte mein Vater. – Davon schreibt auch der Apostel Paulus im 2. Korintherbrief:

 

2. Kor.5,1-5

1 Denn wir wissen: Wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. 2 Denn darum seufzen wir auch und sehnen uns danach, dass wir mit unserer Behausung, die vom Himmel ist, überkleidet werden, 3 weil wir dann bekleidet und nicht nackt befunden werden. 4 Denn solange wir in dieser Hütte sind, seufzen wir und sind beschwert, weil wir lieber nicht entkleidet, sondern überkleidet werden wollen, damit das Sterbliche verschlungen werde von dem Leben. 5 Der uns aber dazu bereitet hat, das ist Gott, der uns als Unterpfand den Geist gegeben hat.

 

Paulus. Man hat an seiner Autorität gezweifelt, weil er selbst oft krank und scwächelnd war. Er hatte überall blaue Flecke, denn er wurde oft wegen seines Glaubens verprügelt und saß im Gefängnis. Das zeigt: Wer sich engagiert muss auch mit Gegenwind rechnen.

Paulus war ein Zeltmacher aus Tarsus. Er wusste: Du kannst ein Zelttuch noch so gut herstellen, irgendwann wird es morsch, dann undicht und irgendwann kannst du es wegwerfen, weil sich die Reparatur nicht mehr lohnt.

Dieses Bild gebraucht Paulus: Wir wissen, unser irdisches Zelt wird einmal abgebrochen werden. (Luther übersetzt statt „Zelt“: „Hütte“) 

 

Es ist nicht angenehm über das Altern, das Sterben und den Tod zu reden. Aber es gehört zum Leben dazu.  Am Volkstrauertag und am Ewigkeitssonntag ist die Vergänglichkeit von uns Menschen Thema im Gottesdienst. Es ist hilfreich, sich rechtzeitig mit demLebensende auseinander zu setzen: Patientenverfügung oder Testament. Eigentlich sollte das heute jeder und jede haben. Das ist kein Tabuthema mehr. Schwer ist es jedoch oft mit den engsten Angehörigen, dem Ehepartner oder den Kindern, offen darüber zu reden. Doch es sollte sein: sagt Paulus: „Keiner lebt sich selber und keiner stirbt sich selber…“ Alt werden, Sterben und dann der Tod: Das geht auch die Angehörigen etwas an. Sie müssen schließlich mit dem Tod weiterleben.

 

Was also kann das Gespräch über dieses oft unangenehme Thema erleichtern? Paulus schreibt weiter:

 

2. Kor.5,6-10

So sind wir denn allezeit getrost und wissen: Solange wir im Leibe wohnen, weilen wir fern von dem Herrn; 7 denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen. 8 Wir sind aber getrost und begehren sehr, den Leib zu verlassen und daheim zu sein bei dem Herrn. 9 Darum setzen wir auch unsre Ehre darein, ob wir daheim sind oder in der Fremde, dass wir ihm wohlgefallen. 10 Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, auf dass ein jeder empfange nach dem, was er getan hat im Leib, es sei gut oder böse.

 

Wir sind beim Kernthema des christlichen Glaubens: Wie hältst Du es mit der Auferstehung? Oder nenne es: Leben nach dem Tod? Wie hältst Du es mit der Hoffnung die stärker ist als der Tod? Glaubst Du daran, dass es einen gibt, der dich auf der anderen Seite in sein Haus ruft, „einen Bau nicht mit Händen gestaltet, sondern im Himmel?“

 

Paulus wirbt darum, sich nicht nur um das irdische Leben zu kümmern, sondern auch um den Glauben, der uns weiter trägt. Sowie unser Körper mit der Zeit schwächer wird, so soll unser Glauben mit der Zeit reifen und wachsen. Paulus trennt deutlich zwischen dem Leib, der irgendwann nicht mehr da ist und dem, was bleibt und wofür es keinen Namen gibt. Denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen. Trotzdem kennen wir Wörter dafür: Seele oder Geist. Aber unsere Seele soll nicht hüllenlos wie ein Gespenst unruhig umher geistern, sondern einen Ort finden, an dem es gut ist. Aufgehoben. Behütet; ohne die Beschwernisse von Alter und Sterben. Einen Ort bei Gott.

 

Ist das so? Friedrich Nietzsche hat einmal gesagt: Der Glaube ist die Verlängerung unserer menschlichen Sehnsüchte. Wahrscheinlich stimmt das oft sogar: Glaube als psychologische Hilfe, um Sorgen und Fragen besser bewältigen zu können. Glaube als hausgemachte Religion. Dazu passt der Satz: Glaube ist Privatsache. Jeder muss glauben, was er selbst für richtig hält, was einem selbst gut tut. Im alten Korinth haben die Griechen auch so gedacht. Deshalb sind die Worte von Paulus aus dem Korintherbrief so wichtig: Paulus redet nicht einem esoterischen Beliebigkeitsbrei das Wort. Im Gegenteil: Es ist nicht egal, was wir glauben und es ist am Ende auch nicht egal, wie wir leben, oder gelebt haben, egal wo. Paulus sagt: 

„Darum setzen wir unsere Ehre darein, ob wir daheim sind oder in der Fremde, dass wir Gott wohlgefallen. Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, auf dass ein jeder empfange nach dem, was er getan hat im irdischen Leben, es sei gut oder böse!“

Der Richterstuhl Christi ist das Ende von „wünsch dir was!“ Die Verantwortung vor Gott hatte Nietzsche nicht auf seiner Rechnung. Sterben und Tod beinhaltet auch die Frage, was du aus deinem Leben gemacht hast. Dabei geht es dann nicht mehr um Karriere oder Wohlstand. Vielmehr geht es um das, was wir einander angetan haben oder eben unterlassen haben. Es geht darum, was wir unseren Kindern und Enkeln hinterlassen. Gerade der Volkstrauertag erinnert uns an die Verantwortung aus der geschichte, an eine friedliche Zukunft im Kleinen wie im Großen. Das ist genauso wichtig wie die Klimafrage oder die Gerechtigkeit. Ich befürchte, dass wir vor dem Richterstuhl Christi zumeist nicht als die vorbildlichen Heiligen bestehen werden. Umso wichtiger ist es deshalb, dass wir auf Christus vertrauen, der uns die Unzulänglichkeiten vergeben kann und dann liebevoll im Himmel empfängt. Dieser Glaube hilft, sich im Leben mit dem Tod auseinanderzusetzen. Es ist das Vertrauen, der Glaube, dass die da im Himmel, uns letztlich doch einmal haben wollen.

Amen!

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Adios!

Regenbogen-Noah und wir. kurze Predigt zu 1.Mose 8,18-9,17

Lukas 21,25-33 Gegen den Weltuntergang