Erwählung und Verantwortung Predigt zum Israelsonntag 2.Mose 19,1-6

 Liebe Gemeinde,

heute am 8. August feiert die Stadt Augsburg einen staatlichen Feiertag. Es ist das Friedensfest. 1548 einigte man sich darauf, die Verwaltungsangelegenheiten der Staat exakt paritätisch unter Katholiken und Protestanten aufzuteilen. Im dreißigjährigen Krieg kämpften dann bekanntlich katholische Heere gegen die Protestanten und verwandelten Deutschland in ein blutiges Schlachtfeld. 1650 setzte man das alte Edikt wieder in Kraft und beging das erste Mal dieses sogenannte Friedenfest. Auch wenn es eher aus der Not und unter Zwang zustande gekommen ist, feiert man noch heute diesen Tag eben als Friedensfest. Aber nur in Augsburg.

In meiner ersten Gemeinde in Bremen erzählte man mir noch, wie Katholiken und Lutheraner noch in den 50er Jahren die Straßenseite wechselten, wenn sie sich begegneten. Und in vielen Orten hatten die Schulen nach Konfession getrennte Eingänge. Man kann sich das heute eigentlich nicht mehr vorstellen, auch wenn es immer noch gravierende Unterschiede zwischen der katholischen und evangelischen Lehre gibt.

Allerdings konnte ich mir auch nicht vorstellen, dass es nach den Gräueln des Holocaustes wieder Antisemitismus gibt und Anschläge auf Synagogen in Deutschland verübt werden. Ich habe auch nie verstanden, wie leicht man Menschen manipulieren kann, wenn man ihnen einen Sündenbock präsentiert. Juden oder Ausländer. Die Rattenfänger von damals und heute brauchen wahrlich keine große Intelligenz. Es scheint eine Sehnsucht zu geben, sich selbst für etwas Besonderes zu halten und andere zu diskriminieren. Sachargumente zählen nicht.

In Spanien gab es einmal ein blühendes jüdisches Leben. Es konnte gedeihen, weil die islamische Herrschaft im Mittelalter Religionsfreiheit und Toleranz ganz groß geschrieben hatte. Es gab jüdische Gelehrte, es gab einflussreiche Politiker, die gerade Andalusien zu einem wohlhabenden Kalifat verhalfen. Die katholische Herrschaft änderte diese Toleranz. Mit dem Alhambraedikt wurden die spanischen Juden vertrieben. Viele geingen in das osmanische Reich, dass sie willkommen geheißen hatte Bayezid II. soll gesagt haben: „Wie töricht sind die spanischen Könige, dass sie ihre besten Bürger ausweisen und ihren ärgsten Feinden überlassen.“ (aus Wikipedia: Geschichte der Juden in Spanien)

Rassismus und Religionsfeindlichkeit sind töricht! Bis zum heutigen Tag und das überall! Es ist gut wenn man dagegen aufsteht und den Reichtum in der Vielfalt entdeckt und sich im Glück eines friedlichen Miteinanders entwickeln kann.

Deshalb ist dieser Sonntag nicht nur ein Friedensfest in Augsburg, sondern in der evangelischen Kirche ist dieser Sonntag auch der Israelsonntag. Es geht um das Verhältnis zwischen Christen und Juden. Es geht nicht um Mission unter Juden. Es geht um geschwisterliches Miteinander und Respekt gegenüber den Besonderheiten des jüdischen Volkes. Es geht nicht um die Politik des Staates Israel. Es geht aber sehr wohl um die Akzeptanz, dass Gott sich das jüdische Volk als Eigentum auserwählt hat. Dass diese Erwählung an Bedingungen geknüpft ist, hören wir im Predigttext für den heutigen Sonntag:

 

2.Mose 19,1-6


191Im dritten Monat nach dem Auszug der Israeliten aus Ägyptenland, an diesem Tag kamen sie in die Wüste Sinai. 2Sie brachen auf von Refidim und kamen in die Wüste Sinai, und Israel lagerte sich dort in der Wüste gegenüber dem Berge. 3Und Mose stieg hinauf zu Gott. Und der Herr rief ihm vom Berge zu und sprach: So sollst du sagen zu dem Hause Jakob und den Israeliten verkündigen: 4Ihr habt gesehen, was ich an den Ägyptern getan habe und wie ich euch getragen habe auf Adlerflügeln und euch zu mir gebracht. 5Werdet ihr nun meiner Stimme gehorchen und meinen Bund halten, so sollt ihr mein Eigentum sein vor allen Völkern; denn die ganze Erde ist mein. 6Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein. Das sind die Worte, die du den Israeliten sagen sollst.

 

Gott stellt sich dem Volke Israels zur Seite. Er hat es aus Ägypten befreit und in mancherlei Gefahr gerettet. Ein Land in dem Milch und Honig fließen sollen wurde in Aussicht gestellt. Wenn die Kinder israels Gottes Stimme gehorchen und den Bund einhalten, dann wird es Gottes Volk sein, vor allen anderen Völkern.

Das muss Neider auf den Plan rufen. Auch das Neue Testament erhebt schon den Anspruch, dass nunmehr die Christen das erwählte Volk sind. Und die frühe Kirche hat bereits Juden nicht die vollen Rechte zugestanden. Martin Luther konnte nicht verstehen, dass Juden nicht Christen werden wollten. Bitterer Antisemitismus war die Folge. Und dann erhob sich 1933 die Naziherrschaft und erklärte die arische Rasse zum erwählten Volk.

Dabei zeigt der heutige Predigttext, dass Gottes Erwählung Bedingungen enthält. Die Kinder Israels sollen ein Volk von Priestern sein und ein heiliges Volk sein. An ihnen soll erkennbar sein, was Gottes Weg mit den Menschen auf der ganzen Erde ist. Es ist gar nicht leicht in diesem Sinne erwählt zu sein. Mose und die Propheten haben sich gegen die Erwählung Gottes gewehrt. Der Anspruch ist sehr hoch. Frieden und Gerechtigkeit zu leben, immer wieder Versöhnung zu versuchen, der Gewaltlosigkeit den Vorrang zu geben, der Versuchung zu widerstehen, den Götzen des Wohlstandes und des eigenen Heils statt dem Gott der Bibel zu dienen.

Ich glaube, dass sollten wir uns immer wieder vor Augen führen, dass das Volk Israel enorme Anstrengungen zu leisten hat, um als Gottes Volk erkennbar zu sein. Und bevor wir uns in Israelkritik oder Antisemitismus zu ergehen, sollten wir gucken, ob wir den Ansprüchen Gottes gerecht werden könnten? Rassismus und Antisemitismus haben eine hässliche Fratze, die mit den Ansprüchen Gottes an seine Menschen nicht im Geringsten etwas gemeinsam haben. Das Kalifat von Cordoba war nicht das Paradies, aber ein Zeichen dafür, dass Toleranz zum Wohle aller dient. Und das Friedensfest in Augsburg wäre ein Zeichen für die Zukunft, wenn es gelingt auch jüdisches oder muslimisches Leben so zu integrieren, dass wir uns gegenseitig bereichern können und in Frieden und Gerechtigkeit miteinander leben. Amen!

 

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