Jesus, Petrus, Lieblingsjünger, Verräter: wer bin ich?

 Jesus, der Lieblingsjünger und der Verräter

21 Als Jesus das gesagt hatte, wurde er erregt im Geist und bezeugte und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten. 22 Da sahen sich die Jünger untereinander an, und ihnen wurde bange, von wem er wohl redete. 23 Es war aber einer unter seinen Jüngern, der zu Tische lag an der Brust Jesu, den hatte Jesus lieb. 24 Dem winkte Simon Petrus, dass er fragen sollte, wer es wäre, von dem er redete. 25 Da lehnte der sich an die Brust Jesu und fragte ihn: Herr, wer ist's? 26 Jesus antwortete: Der ist's, dem ich den Bissen eintauche und gebe. Und er nahm den Bissen, tauchte ihn ein und gab ihn Judas, dem Sohn des Simon Iskariot. 27 Und nach dem Bissen fuhr der Satan in ihn. Da sprach Jesus zu ihm: Was du tust, das tue bald! 28 Niemand am Tisch aber wusste, wozu er ihm das sagte. 29 Denn einige meinten, weil Judas den Beutel hatte, spräche Jesus zu ihm: Kaufe, was wir zum Fest nötig haben!, oder dass er den Armen etwas geben sollte. 30 Als er nun den Bissen genommen hatte, ging er alsbald hinaus. Und es war Nacht.


Liebe Gemeinde,

Leonardo da Vinci hat das berühmte Bild gemalt: Das letzte Abendmahl Jesu. Da geht es scheinbar turbulent zu. Es wird diskutiert und gestikuliert. Ganz anders als wir Abendmahl feiern. Warum?

Jesus ist sehr erregt, was Leonardo da Vinci hier nicht malt. Der Evangelist Johannes schreibt, dass Jesus sich richtig aufregt; er ist wütend: Er weiß, dass einer seiner Jünger ihn verraten wird. Die Jünger fragen sich, wer dass wohl sein wird.

 

Und ich frage auch: z.B. Petrus!

Warum fragst Du, Petrus, Jesus nicht selber, was Du wissen willst? Warum soll das der Jünger neben dir machen. Weil Jesus ihn besonders lieb hat? Hast Du den Schneid nicht, selber das zur Sprache zu bringen, was dich drängt? Du Petrus, der Fels auf dem die Gemeinde gebaut werden soll, schickst andere vor, dass sie die unangenehmen Aufgaben erledigen sollen? Nein, mein lieber! Ich wünsche mir eine Kirche, die keine Zwischenhändler braucht, um mit Gott zu sprechen. Ich wünsche mir auch als Pfarrer Kirchenleitungen, die sich kümmern und nicht andere die Arbeit machen lassen. Und ich wünsche mir Gemeinden, die nicht alles Pfarrern oder Kirchenvorständen überlassen.

 

Und Du, Jünger, den Jesus besonders lieb hatte. Viele nennen dich Johannes. Du hast den Platz direkt neben Jesus einge-nommen. Du legst Dich an seine Schulter, um nach dem zu fragen, der Verrat äußern wird. Kuschelst Dich an, wo Kraft und Beistand zu erwarten wäre. Du bist dir sicher, dass du kein Verräter bist, oder? Glaubst Du, dass der Kelch der letzten Verantwortung an dir vorbeigeht? Glaubst du, dass das Böse nur andere treffen kann und dich nicht?

 

Und nun Du Judas! Du hast den Sack mit Geld schon bei Dir, den dir der Hoherat versprochen hatte, wenn Du ihnen den Ort nennen würdest, an dem man Jesus ohne großes Aufse-hen verhaften könnte. Du bist lange mit Jesus gezogen. Du warst ein Anhänger Jesu. Du hast Wunder gesehen und wundervolle Geschichten gehört. Was hat dich getrieben, Jesus nun auszuliefern? Du hattest große Erwartungen ge-habt, nicht wahr? Du hattest gehofft, Jesus sei der Messias, der Israel neu aufrichten würde, der Frieden und Gerechtig-keit für alle herstellen würde und die Römer zum Teufel jagen würde. Ich kann das verstehen. Ich hätte auch gerne, dass Ungerechtigkeit und Hass, Unterdrückung und Streit, Hass und Lüge keine Chance hätten in dieser Welt. 
            Überall, wo Menschen mit Problemen überfordert sind, fangen sie an zu verraten, verbreiten Verschwörungs-theorien, verkaufen Lügen als Wahrheit, markieren Menschen als Sündenböcke und lassen damit den Teufel in ihr Herz. Aber, dass Du dich an der Seite von Jesus zum Verrat hin-reißen lässt, das verstehe ich nicht. – Als Du dann den Bissen von Jesus bekommen hast, ist dir da kein Licht aufgegangen? Konntest Du wirklich nicht anders? Der Bissen Brot beim Abendmahl ist doch die Chance etwas zu ändern, umzukeh-ren. Doch dass hast Du nicht begriffen. Du bist hinausgegan-gen, weg von der Gemeinschaft. Es war Nacht. Kein Licht mehr. Nicht für Jesus und auch nicht für dich und für deine verständlichen Erwartungen. Daran bist du später selbst verzweifelt.

 

Und ihr anderen Jünger?

Ihr tut so, als stünde nichts an. Ihr denkt, Judas ist zum Ein-kaufen da. Habt ihr denn nie miteinander gesprochen? Über eure Erwartungen und Enttäuschungen? Ihr habt keine Ahn-ung gehabt, was Judas bewegt und innerlich umgetrieben hat. Und ihr habt auch nicht gespürt, wie Jesus innerlich in Aufruhr ist. Wo ist euer Verstand? Wo ist euer Beistand? Wo schlägt euer Herz? Wieso wehrt ihr Judas nicht? Lauft ihm hinterher und holt ihn zurück! Betet für Jesus, seid ihm eine Stütze. Dazu sind doch Freunde da, dazu ist Gemeinde da. Doch ihr habt nur euch selber im Kopf. Ihr habt Augen, aber ihr seht nicht, was um euch herum wirklich geschieht. Ihr hört, aber ihr versteht nicht. Euer Herz schlägt, aber ohne Liebe. Vielleicht seid ihr sogar froh, wenn es einen anderen erwischt, auf den man später zeigen kann und sagt: Der war´s! Aber wenn man nur an sich denkt, nur von sich erzählt, nie den anderen fragt – dann merkt man auch nicht, wie man selber dazu beiträgt, dass Unglücke geschehen. Ihr seid wie die Handyfilmer, die das Unglück aus der Nähe filmen, aber ohne Gefühl auf Distanz bleiben. So eine Gemeinschaft will ich nicht. Aber ich weiß, ihr seid auch nur Menschen. (Blöde Bagatellisierung!) Ihr seid keine Helden. Ihr seid nicht die Stars der Geschichte, aber ihr wollt auch nicht zu den Verlierern der Geschichte gehören. Deshalb macht ihr euch später aus dem Staub, als Jesus am Kreuz getötet wird. Wo das angeblich Menschliche siegt und das Göttliche keinen Platz findet, hat der Teufel gute Zugriffsmöglichkeiten.

 

Und Du Jesus?

Du bist sauer. Du bist gar nicht der liebe Jesus, den ich mir immer vorstelle. Du hast nicht alle gleich lieb von deinen Nachfolgern und Nachfolgerinnen. Das passt nicht in mein Bild. (Und auch nicht in das Bild von Da Vinci.)  Du bist nicht die Kraft, die alles verändern kann. Ich spüre, Du lieferst Dich wirklich den Menschen aus, sogar deinen Nachfolgern. Du machst Dich schwach, obwohl du sicher auch anders könntest. Es passt Dir nicht, aber du lässt dich verraten von Judas. Vielleicht auch von uns, wenn wir Dich gerne so malen und besingen, wie wir das gerne möchten. Du lässt Dich verraten, wenn wir Liebe predigen und selber nicht liebevoll miteinander umgehen. Du lässt Dich verraten, wenn wir das Kreuz auf dem Altar haben oder am Hals tragen und doch mehr uns selber als Dich im Blick haben.

 

Ich schaue auf das Bild vom letzten Abendmahl. Ich erkenne mich und andere wieder auf diesem Bild. Manchmal bin ich wie Petrus. Ich weiß, dass ich Verantwortung trage für mein Leben und das anderer Menschen. Und dann möchte ich doch lieber, dass andere vorangehen und Aufgaben für mich erledigen, die ich selbst erledigen könnte.

Manchmal möchte ich ein Lieblingsjünger sein. Nach Harmonie kuscheln und nicht an das Böse glauben.

Manchmal bin ich wie Judas: Ich zerbreche an den großen Erwartungen und meiner Ungeduld gegenüber Menschen, aber auch gegenüber Gott.

Manchmal bin ich wie die anderen Jünger. Viel zu spät erkenne ich, was wirklich passiert. Dann sage ich mir: Ich hätte, man sollte, man müsste. Das sehe ich. Und wo erkennt ihr Euch wieder, liebe Gemeinde?

 

Gott wir gehen in diese Passionszeit. Lass mich rechtzeitig aufmerksam sein, für das, was geschieht: in mir und um mich herum. Sei das Licht, dass den Weg weist, auch wenn es Nacht ist. Stärke in mir den Glauben, auch wenn Fragen und Sorgen übergroß werden. Lass uns eine Kirche sein, die dich nicht verlässt und verrät.

Ich lese uns nun noch einige Verse, die auf diese Geschichte vom letzten Abendmahl folgen:

Meine Kinder, ich bin nur noch kurze Zeit bei euch. Ihr werdet mich suchen, und was ich den Juden gesagt habe, sage ich jetzt auch euch: Wohin ich gehe, dorthin könnt ihr nicht gelangen. Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt. Amen!

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