Der unfruchtbare Weinberg Jes.5,1-7

 Liebe Gemeinde,

beim Wandern entdecke ich oft verlassene Weinfelder. Ich mag Wein und ich liebe Weinberge, denn sie symbolisieren für mich Lebensfreude und Gemeinschaft, Kultur und Qualität. Um so bitterer, wenn der Weinberg kaum noch Früchte trägt und verlassen wurde.

            Manchmal entdecke ich einzelne Reben, die versuchen zu überleben. Doch Dornengestrüpp überwuchert fast alles. Ich sehe noch die Begrenzungsmauern, die jemand mal sorgfältig angelegt hat; Terrassenfelder, die wohl mit viel Anstrengung aus dem Fels gehauen wurden. Ab und an erkennt man alte Wasserleitungen, mit denen die Felder bewässert wurden. Mit viel Hingabe hat da mal jemand versucht Wein anzubauen und guten Wein herzustellen. Aber nun liegt es brach und zerstört da. Aufgegeben! Warum nur? Kein Ertrag? Schlechter Ertrag? Zuviel und zu harte Arbeit aber zu wenig Ergebnisse? Ich glaube, es war wohl für den weinbergbesitzer ein schwerer Entschluss zu sagen: Ich gebe den Weinberg auf. Alle Mühe war umsonst!

 

Ein anderes Bild: „Se vende!“: zu verkaufen! Das sieht man in diesen Zeiten oft auf Teneriffa. Jemand hat ein Geschäft aufgebaut. Geld investiert, um sich einen Traum zu verwirklichen. Und dann zerplatzt dieser Traum durch einen Virus, der alles zunichte macht. Keine Touristen, keine Einnahmen. Aus. Se vende! Ich gebe auf. Soll jemand anderes etwas draus machen.

 

Noch ein anderes Bild: Die Eltern investieren viel in ihr Kind. Zeit und Geld und Aufmerksamkeit. Es soll es einmal gut haben. Aber in der Pupertät will das Kind nichts mehr von der elterlichen Liebe wissen. „Lasst mich zufrieden! Sag mir nicht, was ich zu tun habe!“ hört man immer öfter. Eines Tages zieht das Kind aus. Die Telefonanrufe werden mit der Zeit weniger und irgendwann erfahren die Eltern gar nichts mehr. Was tun? Geben sie auf? War alles umsonst? Sie fragen sich: Sollen wir uns weiter bemühen? Auch wenn wir zerbrechen an der Last auf der Seele?

 

Wann ist es im Leben an der Zeit zu sagen: Es geht nicht mehr! Ich gebe auf! Auch wenn es schwer fällt. Ich habe mich geirrt?

Diese Frage begleitet mich beim Lesen des heutigen Bibeltextes. Es ist das sogenannte Weinberglied des Jesaja:

 

Jes. 5,1-7



 

Gott gibt seinen Weinberg auf. Der Weinberg steht als Symbol für Gottes Volk. Mit viel Mühe und Liebe hat Gott seine Menschen umsorgt, wie bei einem geliebten Weinberg. Er hat ihnen fast alles gegeben, was sie für ein gutes Leben brauchen. Aber es gibt keine Gegenleistung. Es kümmert die Menschen nicht, wer da für sie sorgt. Sie tun nichts, damit der Weinberg ein Zeichen für Kultur und Gemeinschaft bleibt, sie bringen keine Frucht. Im Gegenteil: Sie pfeifen auf alle Werte, die einmal den Weinberg Gottes ausmachen sollten. Sie brechen das Recht und handeln ungerecht. „Sag mir nicht, was ich zu tun habe! Lass mich zufrieden mit dem Glauben an Gott!“

 

Jesaja berichtet seinem Volk, dass Gott den Weinberg aufgibt. Kein „Se vende“! Im Gegenteil: er lässt die Mauern einreißen, es gibt keinen Regen mehr. Statt süßer Trauben gibt es Zerstörung. Gott gibt auf. Das ist grausam. Nicht einmal die Hoffnung bleibt bis zuletzt. Der Glaube verkommt zu einer leeren Hülle. Die Verächter reißen auch die Letzten Gutwilligen mit in das Verderben und hinterlassen eine gottverlassene Welt.

 

Kurz nachdem Jesaja im 8.Jahrhundert vor Christus sein Weinberglied vorgetragen hat, wird aus der unglaublichen Vision des Jesaja eine grausame Wirklichkeit: Der jüdische Staat wird besiegt und Jerusalem zerstört. Es gibt keinen Gott, der eingreift und das schlimmste verhindert.

 

Der verlassene und zerstörte Weinberg ist kein Einzelfall der Geschichte. Immerhin hat sich das jüdische Volk dieses makabre Weinberglied Jesajas trotz aller Schuld bewahrt. Eine mutige Selbstkritik in den biblischen Geschichtsbüchern. Eine Mahnung für alle Zukunft. Um so weniger verstehe ich, wenn immer wieder Menschen sich, ihr Umfeld oder gar ihr Land ins Verderben bringen und kritikunfähig bleiben. Ich bin entsetzt, wenn Rechtsbruch sogar in der Kirche stattfindet und einige Bischöfe nicht an Aufklärung oder Kritik interessiert sind. 

Manchmal denke ich: Gott hat wirklich allen Grund zu sagen: Ich habe die Nase voll! Ich habe den Menschen alles gegeben, was sie für ein gutes und friedliches Leben brauchen, aber sie missachten es immer wieder. 

Ich könnte das verstehen, aber ich selber will das nicht glauben, dass Gott euch und mich, die Menschheit endgültig aufgibt. Ich will glauben, was ich auf unseren Wanderungen oft sehe: Das irgendwo auf einem verlassenen Weinfeld doch noch die eine oder andere Rebe sich durch Dürre und Dornen nach dem Licht reckt. Das reicht noch nicht für einen akzeptablen Wein, ich weiß. Es braucht Hände, die das Dornengestrüpp wegreißen, auch wenn man sich dabei blutige Hände holt. Es braucht Anstrengungen, um den Boden wieder herzurichten und zu düngen. Es braucht liebevolle und vorsichtige Pflege der Pflanzen. Es braucht Klugheit und Wissen, wie man aus einfachen Trauben Genuss und Freude machen kann. Es braucht Menschen, die dann gemeinsam sich in die Ernte begeben. Es braucht die Bereitschaft etwas zum Essen mitzubringen und den Wein gerecht auszuschenken, damit alle an der Qualität und Lebensfreude teilhaben können. Es braucht Demut und Dankbarkeit angesichts dessen, was Gott da geschaffen und uns anvertraut hat. Und es braucht den Glauben, dass Gott uns nicht fallen lässt. 

Die Passionszeit ist die Gelegenheit, damit wir nicht nur Unrecht bei anderen beklagen, sondern selber überlegen, was wir für Früchte hervorbringen, an denen sich Gott und die Menschheit erfreuen können. Das Weinberglied des Jesaja zeigt mir, dass es besser ist dem Unglück vorzubeugen anstatt immer nur Wunden zu verbinden. Aber das Leben braucht auch die Klugheit und den Mut zusagen: ich kann nicht mehr und ich will auch nicht mehr. Aber ich gebe nicht alles auf, ich suche einzelne Reben, mit denen ich mir einen neuen Weinberg baue. Irrtümer und Enttäuschungen gehören zum Leben dazu. Das gilt im Großen für die Welt und das gilt im Kleinen für mein und dein Leben. Jedoch gibt es irgendwo immer die kleine Rebe Hoffnung, die man entdecken und dann pflegen kann, die man befreien und vermehren kann. Und es gibt die Vergebung, wenn man sich eingesteht, dass man mit seinen Kräften am Ende ist und auf einem falschen Weg war. Es gibt den Glauben, der einen hält, auch wenn man nicht mehr weiter weiß. Und Gott sei Dank, gibt es noch viele gute Weine und Menschen, die damit verantwortlich umgehen können. Gott lässt Gras wachsen für das Vieh und Saat zu Nutz des Menschen, dass du Brot aus der Erde hervorbringst, dass der Wein erfreue des Menschen Herz. Auch das steht in der Bibel. (Ps.104) Gott will doch, dass wir leben und gute Frucht bringen…Amen!

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Adios!

Regenbogen-Noah und wir. kurze Predigt zu 1.Mose 8,18-9,17

Lukas 21,25-33 Gegen den Weltuntergang