Simchat Tora Predigt zu 5.Buch Mose Kapitel 30,11-14 am 11.10.2020

       


 

Liebe Gemeinde,

Heute ist ein Feiertag, Libertyday, Freiheitstag. Die Regierung hat beschlossen, diesen Feiertag einzuführen. Es hatten ja soviele Angst dass ihre Freiheit z.Zt. so stark eingeschränkt würde, wegen Corona und überhaupt: Mir hat keiner zu sagen, wie ich leben soll. An diesem Tag also soll grenzenlose Freiheit für jeden gewährt werden.


Man kann, aber man muss z.B. nicht zur Arbeit gehen. Das mag zwar für den Mann auf dem OP Tisch in der Klinik gerade seltsam sein, weil der Chirurg endlich operieren will, aber der Anästhesist heute nicht erscheint. Aber für einen Moment der Freiheit leidet man doch gerne, nicht wahr?

Das Fussballspiel findet statt. Heute gibt es sogar für jeden Spieler einen Ball. 22 Bälle also fliegen lustig durcheinander, irgendwie jeder gegen jeden. Jeder darf tun und lassen was er will. Da es auch keine Regeln für die Spielzeit gibt, haben die Spieler aber nach 73 Minuten die Nase voll. Ohne Regeln macht Fußball nämlich keinen Spaß. Im übrigen liegen etliche Spieler verletzt am Boden, da ohne Regeln ja auch kein Foul gepfiffen werden konnte.

Bereits kurz nach 9 Uhr ging auf den Straßen gar nichts mehr, weil jeder fahren durfte wie er oder sie wollte. Rote Ampeln waren egal, man parkte vor des Nachbarn Garagentor, die einen entschieden sich für Linksverkehr die anderen dagegen. Am Freiheitstag war ja alles möglich. Nur ein geregelter Verkehr war auf den Straßen nicht mehr zu erkennen. Nichts ging mehr.


Mittags rief jemand entnervt bei der Regierung an, was dieser blödsinnige Freiheitstag denn bringen solle? Der Regierungssprecher antwortete, man wolle doch nur einmal im Jahr 24 Stunden jedem Bürger alle Freiheiten ermöglichen. Um 13 Uhr fand eine Demonstration gegen den Freiheitstag statt. Man wolle doch wieder Regeln haben, die für alle gelten; Regeln die ein gesittetes Miteinander ermöglichen sollten. Auf einem Plakat stand sogar: Wir brauchen einen Tag, an dem wir unsere Regeln, unsere Gesetze und Gebote feiern!

 

Im Judentum gibt es so einen Tag: Simchat Tora. Man erinnert sich daran, dass Gott dem jüdischen Volk die Gebote Gottes nahe gebracht hat. Da tragen die Gemeindeglieder die Tora, alle Schriftrollen mit den Gesetzen des Mose, um das Lesepult und durch die Synagoge, dazu wird getanzt; sogar die Kinder freuen sich, denn am Ende gibt es Süßigkeiten. Das Gesetz Gottes ist zwar manchmal hart, aber letztlich ist es für den Menschen gut und sinnvoll, voll Süße für das Leben im Miteinander. Simchat Tora endet übrigens heute an diesem Wochenende 10./11. Oktober.

 

Wohl deshalb ist der für heute vorgeschlagene Predigttext die Ermahnung zum Einhalten der Gesetze Gottes:

 

Das Gebot, dass ich dir heute gebiete, ist dir nicht zu hoch und nicht zu fern. Es ist nicht im Himmel, dass du sagen müsstest: wer will für uns in den Himmel fahren und es uns holen, dass wir es hören und tun? Es ist auch nicht jenseits des Meeres, dass du sagen müsstest: wer will für uns über das Meer fahren und es uns holen, dass wir´s hören und tun? Denn es ist das Wort ganz nahe bei dir, in deinem Munde und in deinem Herzen, dass du es tust. (Dtn.30,11-14)

 

Das Gebot Gottes besteht aus vielen Geboten. 613 Mizwot sagen die Rabbinen; davon 248 Gebote und 365 Verbote. Für uns erschließt sich nicht alles. Aber immerhin die 10 Gebote haben die meisten von uns mal auswendig gelernt: Ich bin der Herr dein Gott, du sollst keine anderen Götter neben mir haben, dazu das Gebot zum Feiertag, die Wertschätzung der Eltern, der Respekt vor der Beziehung von Mann und Frau, Du sollst nicht morden oder stehlen. Nicht Falsches über andere verbreiten und nicht einfach die Dinge nehmen, die anderen gehören. Vielleicht war das nervig, als wir das auswendig lernen mussten. Das war Zwang und bestimmt nicht freiwillig. Und dennoch ist es gut, wenn einem diese 10 Gebote so in Fleisch und Blut übergegangen sind, dann man daran weder zweifelt noch lange nachdenken muss. Es ist dann im "Munde und in Deinem Herzen, dass du es tust..." Es sind Regeln ohne die ein gutes Miteinander nicht möglich ist. Es sind Regeln auch des Anstandes und des gegenseitigen Respekts. Eigentlich sollte das in jedem Elternhaus, in jedem Verein, in jeder Schule oder im Kindergarten gelernt werden, ja ins Herz und in den Mund gelegt werden, wie die Bibel es formuliert. Wie man vernünftig miteinander lebt liegt nicht im Himmel verborgen und ist auch nicht von weit herzuholen. Das muss doch möglich sein!?

 

Und trotzdem müssen wir anscheinend daran erinnert werden. Wenn in der Coronakrise es jedem einzelnen überlassen würde, ob man Maske trägt oder nicht, Partys feiert oder zuhause bleibt, fängt das Chaos an, dass ich eingangs mit dem chaotischen Freiheitstag beschrieben habe. Es geht kolossal schief, wenn jeder für sich entscheidet, was erlaubt ist und was nicht. Gott hat uns nicht die grenzenlose Freiheit geschenkt, sondern die Freiheit füreinander und miteinander zu leben. Freiheit geht deshalb nicht ohne Verantwortung. Damit wir nicht ständig neu definieren müssen, was gut oder böse ist, hat Gott die Gebote gegeben. Jesus selber hat gezeigt, dass nicht die Gesetzesbuchstaben dabei das Maß aller Dinge sind, sondern die Anwendung des gesunden Menschenverstandes. Darum hat er auch am Sabbat geheilt und mit der Ausländerin zu Tisch gesessen, die Ehebrecherin hat er nicht verurteilt, aber Ehebruch auch nicht gut geheißen. Dem Mann, der das ewige Leben haben möchte, gibt er eine harte Antwort: Er soll alles Gut verkaufen und den Erlös den Armen geben. Jesus will aber nicht Armut für alle, sondern nur, dass wir unser Herz nicht an Erfolg oder Reichtum binden. Im Grunde lässt sich das Gebot Gottes zusammenfassen:

Du sollst Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst! Die goldene Regel.

Es ist Simchat Tora! Und wir Christen feiern mit unseren jüdischen Geschwistern ein wenig mit. Tut uns allen doch gut oder?

 

Amen

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