Zachäus Predigt am 13.9.2020

ZACHÄUS

191Und er ging nach Jericho hinein und zog hindurch. 2Und siehe, da war ein Mann mit Namen Zachäus, der war ein Oberer der Zöllner und war reich. 3Und er begehrte, Jesus zu sehen, wer er wäre, und konnte es nicht wegen der Menge; denn er war klein von Gestalt. 4Und er lief voraus und stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum, um ihn zu sehen; denn dort sollte er durchkommen. 5Und als Jesus an die Stelle kam, sah er auf und sprach zu ihm: Zachäus, steig eilend herunter; denn ich muss heute in deinem Haus einkehren. 6Und er stieg eilend herunter und nahm ihn auf mit Freuden.

7Da sie das sahen, murrten sie alle und sprachen: Bei einem Sünder ist er eingekehrt.

 8Zachäus aber trat herzu und sprach zu dem Herrn: Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück.
 9Jesus aber sprach zu ihm: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, denn 
auch er ist ein Sohn Abrahams. 10Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.

Liebe Gemeinde,

Die Sachbearbeiterin für meine Steuererklärung im Finanzamt hat einen Allerweltsnamen: Müller, Meier, Schulze. Ihr Name ist eigentlich egal. Für mich ist nur wichtig, ob sie meine Belege zur Steuerminderung akzeptiert oder nicht. Ich bin mir da nicht immer sicher. Ich vermute, es gibt Spielraum zur persönlichen Entscheidung. Vielleicht bin ich auch einfach nur skeptisch, weil ich nicht mitreden kann. Allerdings bin ich froh, dass sie eine Beamtin ist und ein festes Gehalt bekommt. Sonst würde sie vielleicht das eine oder andere neben den Staatsabgaben zusätzlich verlangen, um ihren eigenen Lebensunterhalt aufzubessern. So war es nämlich vor 2000 Jahren. Die Zöllner kassierten das ab, was der römische Staat verlangte und nebenbei noch einiges mehr, für den eigenen Lebensunterhalt. Man war dem Zöllner ausgeliefert, mehr noch als heute dem Finanzamt.

Ein Name unter den Steuereintreibern hat Geschichte gemacht: Zachäus! Zachäus war nicht beliebt. Kein Wunder. Bei ihm war man wirklich ausgeliefert. Man musste das zahlen, was er verlangte und das war mit Sicherheit mehr, als das was der Staat haben wollte. Zachäus galt als Sünder. Mit ihm wollte man eher nicht zusammen sein.

Beim Kindergottesdienst oder im Religionsunterricht an der Grundschule war das anders. Wenn ich die Geschichte spielen ließ, wollten alle Zachäus sein. Einmal auf einen Stuhl steigen, (weil wir keinen Maulbeerbaum hatten) größer sein als die anderen, eine Hauptrolle spielen. Das hatte etwas! Die anderen waren dann die Menge. Sie standen in der ersten Reihe, sie hatten ihren Platz, sie durften über Zachäus stänkern und hatten weder einen Namen in der Geschichte noch letztlich wirklich etwas zu sagen.

Das war eine verkehrte Welt: Alle wollten Zachäus spielen, den Außenseiter. Nur in Wirklichkeit will keiner Außenseiter sein. In Wirklichkeit gibt es eine große Sorge, nicht anerkannt oder beliebt zu sein. Es geht ja schnell, um zum Außenseiter erkoren zu werden: Zu dick, zu ernst, zu groß oder zu klein; man hat die falsche Hautfarbe, die falsche Religion, das zu kleine oder zu große Portemonnaie. Schon Kinder erleben, was Mobbing bedeuten kann. Und bei den Sorgen dieser Zeit, muss auch irgendein Außenseiter herhalten, als Sündenbock, als Sünder abgestempelt: Juden, Bill Gates, Ausländer usw.

Zachäus, der Außenseiter, kommt gut weg, kommt in die Bibel und das Gedächtnis seit Kindheitstagen. Und das liegt daran, dass Jesus ihn beim Namen gerufen hat; herabgerufen hat von seinem Aussichtsplatz auf dem Maulbeerbaum. Jesus hat ihn angenommen und sich sogar gegen den Widerstand der Leute bei ihm eingeladen. Der Ungeliebte bekommt das Gefühl geliebt zu werden.

Soweit, so gut! Doch warum erzählt uns der Evangelist Lukas diese Geschichte? Was erzählt er uns Erwachsenen?

Ich entdecke zweierlei. Zum Einen:

Im Reich Gottes gibt es Platz für viele. Für die, die in der ersten Reihe stehen, die Anständigen, die etwas aus ihrem Leben gemacht haben, die mit Gott und Jesus etwas anfangen können. Aber eben auch die, die man nicht unbedingt als erstes dazu zählen würde: Die Außenseiter, die nicht die Norm erfüllen. Lukas erzählt viel von ihnen. Da gibt es den Blinden, dessen sich Jesus erbarmt, da gibt es die Witwe, die nicht abgewiesen wird. Und immer wieder geht es dem Evangelisten Lukas um das Thema Reichtum und Armut. Der arme Lazarus darf in das Reich Gottes aber der Reiche hat seinen Lohn schon gehabt. Zachäus steht in der Mitte: Er ist vermögend, aber eben auch Außenseiter. Das gibt es also auch.

Folglich gibt es noch etwas Zweites, was Lukas uns vermitteln will und das bewahrt vor dem gefährlichen Schwarz-Weiß - Denken. Reichtum ist nämlich nicht schlecht, aber Reichtum verpflichtet zu sozialem Denken und Handeln. Und so ist es ja auch bei Zachäus: Nicht der Außenseiter ist an sich schon auf der Seite Gottes. Er muss sich schon bemühen, Jesus zu entdecken. Deshalb der Maulbeerbaum. Zachäus will diesen Jesus sehen, entdecken. Erst dann kann Jesus ihn herbeirufen. Der Außenseiter Zachäus ändert daraufhin sein Leben. Er gibt vierfach zurück, was er einmal unrechtmäßig einbehalten hat. 

Mit der Geschichte von Zachäus bekommen wir eine Ahnung davon, wie kaputt es manchmal um uns herum und vielleicht auch in uns selber ist. Im Glauben an Jesus Christus kann aber sehr viel heilen. Vorurteile verlieren ihre zerstörerische Kraft, Über garstigen Gräben werden Brücken gebaut. Verschlossene Türen öffnen sich und Häuser werden einladend. Soziale Unterschiede wird es immer geben, aber sie trennen die Menschen nicht. Ich frage mit der Geschichte von Zachäus nicht danach, wo bei uns die Außenseiter sind, oder ob wir uns selber manchmal so fühlen. Obwohl sich das wohl auch lohnen würde. Ich frage heute stattdessen danach, wo die Maulbeerbäume sind, auf die man steigen kann, um die heilende Kraft des Glaubens zu spüren. Wo kann man den Glauben entdecken, auch wenn man nicht zur Kerngemeinde gehört? Wo spüren Menschen, dass sie willkommen sind in unserer Kirche? Wo und wie können Menschen für sich entdecken, dass die Geschichte von Jesus auch für sie einen wertvollen Beitrag liefert? Vielleicht müssen wir mehr Maulbeerbäume pflanzen, (sinnbildlich natürlich!) damit Menschen sehen können, wie Jesus einzieht: nach Jerusalem und in unsere Welt. Und dann werden wir unser Leben so ausrichten, wie Zachäus es vorgemacht hat. Amen!

 

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