Heiligabend: der Weg Jesu

Liebe Heiligabendgemeinde,

Wenn eine Frau schwanger ist, überlegen sich die Eltern heutzutage sehr genau, was als Nächstes kommt: Welcher Frauenarzt, Geburtsklinik aussuchen, Kinderzimmer vorbereiten. Die Wiege steht schon, die Wand wird niedlich gestrichen. Die werdenden Großeltern stehen in den Startlöchern, um zu helfen oder das Baby zuerst im Arm halten zu können. Und so weiter. Alles wird geplant, alles soll eine Ordnung haben.

Das ist wie mit Weihnachten. Alles soll eine Ordnung haben. Bei uns wird der Weihnachtsbaum wie immer erst am Heilig Abend aufgebaut. Er wird geschmückt wie seit 25 Ehejahren schon. Auch dieses Jahr organisiert meine Frau wieder einen Puter, den es dann am 1. Weihnachtstag geben soll. Und Heiligabend erzähle ich jedes Jahr die Weihnachtsgeschichte nach Lukas, unterbrochen von den schönen Weihnachtslie-dern. Ich verändere die Liturgie und brauche keine anderen Bibeltexte, auch wenn die Predigtordnung das gerne hätte.

Manchmal passiert dann doch etwas, was nicht in den Plan passt.
Das erwartete Kind kommt zu früh oder das vollgetankte Auto springt nicht an, obwohl die Wehen eingesetzt haben. Der Puter bleibt halbgar und kalt, weil es einen Stromausfall gibt. Ich erinnere mich noch wie wir einmal Glatteisregen am Heilig Abend hatten und die Kirche unerwartet leer blieb oder wie ich nach dem ersten fürchterlich lauten Familiengottesdienst so heiser war, dass ich die anderen beiden Gottesdienste am Heiligabend weder predigen noch singen konnte. Manchmal kommt es eben ganz anders als geplant oder erwünscht.

Richtig schwierig wird es, wenn man das erste Mal ohne die Kinder Heiligabend feiert, oder ohne den verstorbenen Partner. Dann bekommt das Planen und alle Ordnung einen Knacks. Was tröstet da? Wie kann man bestehen?

Genau darum geht es in der Weihnachtsgeschichte:
Nichts läuft nach Plan. Ein junges Mädchen, namens Maria, – irgendwann wird man sagen: eine Jungfrau – wird schwanger. Der Vater Josef ist eigentlich nicht der Vater. Die geplante Hausgeburt fällt aus, weil der Kaiser Augustus nichts Besseres zu tun hat, als auch Maria und Josef wegen einer Steuerschät-zung in die Heimatstadt des Josef zu ordern. Dort gibt es we-der Geburtsklinik, keine Pension, sondern nur einen Stall. Der Rest der Familie ist nicht einmal anwesend. Stattdessen kom-men wildfremde Hirten mit dreckigen Schuhen und wollen das Kind sehen. Und als Maria eigentlich Ruhe bräuchte, posaunen die Hirten es in alle Welt: Gottes Sohn ist geboren. Josef steht verloren da und wird nie wieder erwähnt. Was für ein Chaos, was für ein Durcheinander. Nichts läuft nach Plan.

Und doch erzählt uns diese alte Geschichte alle Jahre wieder, wie in all dem ungeplanten Durcheinander Gott zu den Menschen kommt. Sie erzählt, dass Gott einen Weg kennt der durch dieses Durcheinander führt. Er verläuft nicht gerade, nicht ohne Probleme, kennt Erfolge und bittere Stunden. Aber überall, wo Gott auf diesem Weg geglaubt wird, wachsen Blumen, wird Leben erweckt, beginnen Lahme zu gehen und Blinde sehen, was um sie herum geschieht. Inmitten des Lichtermeeres mit dem wir manchmal das kleine Licht im Stall von Bethlehem beinahe erlöschen lassen, inmitten der Werbeslogans und lauten Animation in den Hotelanlagen leuchtet trotzdem das Licht Jesu, wird das Wort Gottes gesprochen. Menschen kommen zusammen wie heute im Gottesdienst, kennen einander genauso wenig wie Maria und Josef die Hirten kannten. Im Stall und in der Kirche geht es um Jesus Christus. Im Durcheinander der Zeit suchen Menschen nach Orientierung, nach dem Geheimnis, das Wahrheit beinhaltet, nach dem Glauben, der Hoffnung weckt, nach der Liebe, die heilt, was zerbrochen scheint. Klein ist dieser Christus. Ein Kind. Geboren in einem versteckten Winkel dieser Welt. Mehr nicht und doch so viel! Glauben heißt Vertrauen.

War´s das? Nein! Weihnachten fängt ja erst an. Der Weg Jesu bei den Menschen beginnt. Die Hirten kehren wieder um und preisen Gott. Menschen machen einander Mut. Sie geben die Liebe Jesu an den Nächsten weiter. Sie versuchen Versöh-nung, wo bislang Streit war. Sie grenzen die fremden Hirten nicht aus, die Weisen aus dem Morgenland schon gar nicht. Sie geben dem Hass keinen Raum. Sie wehren sich gegen die lauten Parolen mit den einfachen Lösungen. Verängstigte bekommen Mut. Erschöpfte kommen zur Ruhe. Menschen wie Maria und Josef, die vor Verfolgung fliehen müssen, bekommen Asyl nicht nur in Ägypten. Weise, nicht nur Könige, merken, dass man List und Betrug etwas entgegen setzen muss. Sie retten die Welt nicht in der Weihnachtsge-schichte, aber sie tun das, was in ihren Möglichkeiten steckt. Sie wissen alle, dass das Leben nicht einfach ist. Aber jede und jeder wird wachsam für den Gott, der aus dem Himmel die Erde berührt, dessen Atem in Jesus lebendig geworden ist. 

Inmitten von Ungewissheiten, inmitten der Nacht, ruft auch uns die Schar der himmlischen Heerscharen:

Fürchtet Euch nicht! Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr. In einem Kind werdet ihr es finden. Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden bei allen Menschen seines Wohlgefallens! Amen!

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