Predigt zu Kohelet 7,15-18 17.2.2019

Liebe Gemeinde,
„Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit!“ So ganz neu ist
diese Erkenntnis nicht. Als Kind erlebte ich, wie mein Onkel an Lungenkrebs jämmerlich starb. Ich beschloss daraufhin, nie mit dem Rauchen anzufangen!  Letztes Jahr beerdigten wir einen Freund: jahrelanger starker Raucher. Eigentlich starb er viel zu jung! Aber man weiß ja: Eine Zigarette verkürzt das Leben um 10 Minuten heißt es.
Andererseits müsste man aber auch fragen, wie alt Helmut Schmidt dann mit dieser Rechnung, also ohne Zigaretten, geworden wäre, wenn er nie geraucht hätte: 200 Jahre?

Was stimmt? Welche Regeln, welches Verhalten schenkt uns ein glückliches Leben?  Wir kennen zumeist die 10 Gebote und wissen, das sie Sinn machen. Das erste Testament zeigt uns an diversen Stellen, wie Gott schon kleinste Vergehen bestraft: Ein Apfel reichte, um Gott so zu erzürnen, dass der Mensch kein Paradies mehr sehen würde. Und da es Eva war, die dem Adam den Apfel reichte, wurden von eifrigen Wortgläubigen alle Frauen für die Erbsünde gleich mit verantwortlich gemacht. 
Es war die Kirche, die die Bibel interpretierte und selbst Regeln aufstellte, was erlaubt war und was nicht, was allein seligmachend ist. Aus biblischen Hinweisen wurden Dogmen, die keine Abweichungen duldeten.
Für moderne Menschen ist es sonderbar, wenn sich Kirchenleitungen bemühen, alte Lasten abzustreifen und bei jeder Reform dann die Hardliner hervorkommen, die meinen, mit Modernisierungen würde man das Christentum und die Grundordnungen des Lebens verraten. 
Unsere Gesellschaft braucht heute keine kirchlichen Dogmen mehr, um zu wissen, was gut ist und was nicht, - was selig macht und was unglücklich sein lässt.
Statt kirchlicher Richtlinien gibt es nun andere: Wir werden bombardiert mit Richtlinien für unser Glück und unsere Gesundheit: Feinstaub höchstens 40mg. Oder doch nicht; ein Glas Rotwein am Tag soll sein wegen des Herzens, oder doch nicht? Sport ist gesund, auch wenn Du mit 40 dann Arthrose im Knie hast. Veganer, Vegetarier, Fleischfresser grenzen sich ab und nehmen das alleinige Recht auf Moral oder gerechtes Leben für sich in Anspruch. Wir werden bombardiert mit Grenzwerten, wieviel Ausländer wir verkraften oder ob einer schon zuviel ist und sind doch selber in jedem Kanarenurlaub Ausländer.

Anscheinend leben wir in Zeiten großer Verunsicherung, was richtig ist und was falsch; ja sogar Panikmache. Allerdings hat es Zeiten der Verunsicherung auch schon früher gegeben. Der Prediger Salomo reagiert mit dem Predigttext für den heutigen Sonntag in verstörender Gelassenheit: (Kohelet,7,15-18)

Dies alles habe ich gesehen in den Tagen meines eitlen Lebens: Da ist ein Gerechter, der geht zugrunde in seiner Gerechtigkeit, und da ist ein Gottloser, der lebt lange in seiner Bosheit.
Sei nicht allzu gerecht und nicht allzu weise, damit Du Dich nicht zugrunde richtest.
Sei nicht allzu gottlos und sei kein Tor, damit Du nicht sterbest vor deiner Zeit!
Es ist gut, wenn du dich an das eine hältst und auch jenes nicht aus der Hand lässt; denn wer Gott fürchtet, der entgeht dem allen!

Ein Wort gegen den vermeintlich Druck den richtigen Lebensstil finden zu müssen. Ein Wort gegen den Zwang, alles moralisch perfekt machen zu müssen. Ein Wort, gegen alle Besserwisserei und Ideologie und vor allem gegen jeden Fundamentalismus! Sei er religiös oder politisch. Ein Wort für etwas mehr Gelassenheit und Klugheit inmitten von vermeintlicher Wahrheiten. Kein Wort für bequemes Zurücklehnen. Ein Wort für Verantwortliches Handeln fernab jedweder ideologischer Zwänge!

Vermutlich deswegen hat die Predigttextkommission der EKD diesen etwas ungewöhnlichen Bibeltext neu in die Predigtreihe aufgenommen. Lange meinte man, soviel Weisheit könnte nur vom weisen König Salomos kommen. Das ist aber sicherlich nicht richtig. Es wird vielmehr der Versuch sein, sich als Bibelgläubiger in der Vielfalt von Kulturen und Philosophien zurecht zu finden, die es im 3.Jahrhundert vor Christus gab:
Es ist gut, wenn du dich an das eine hältst und auch jenes nicht aus der Hand lässt; denn wer Gott fürchtet, der entgeht dem allen!

Zugegeben: Es geht hier anders zu als sonst oft n der Bibel: Eure Rede sei Jaja oder Nein, nein! Heißt es in der Bibel. Ein echtes Bekenntnis, ein Ja oder ein nein sieht anders aus. Der Bibeltext zeigt auch deutliche Verunsicherung. Darin ist er mir sympathisch. Denn auch wir erleben ja eine Vielfalt von Lebensweisheiten, an Religionen, an Kulturen, an Möglichkeiten dem Leben einen Sinn zu verleihen. Was bedeutet es da, als Christ zu leben und Verantwortung für sich und die Welt zu übernehmen? Muss man alles tolerieren, weil der Gottlose vielleicht sogar länger lebt, als der Gottesfürchtige? Oder lohnt es sich, tapfer gegen die vielen unsinnigen Lebensgewohnheiten anderer anzukämpfen? 

Der Prediger aus Kohelet will vor allem eines: Dass seine Zuhörer nicht versucht werden, gerechter als der barmherzige Gott zu werden. Sei nicht zu gerecht, damit Du Dich nicht zugrunde richtest!

Andererseits führt zuviel Gottlosigkeit und vor allem Dummheit, zu einem leblosen Dasein vor dem Tod:
Sei kein Tor, damit Du nicht sterbest vor deiner Zeit!

Es ist zu wenig, wenn man einfach auf die vermeintlich goldene Mitte hinweist. Wer sich nicht zwischen Links-und Rechts-Verkehr entscheiden kann und immer auf der Mittellinie oder im Kreisverkehr mal so mal so rum fährt, baut irgendwann einen Unfall. Es ist auch zu wenig, wenn man nur aus Kompromissen lebt. Die großen Veränderungen der Menschheit sind meistens dadurch zustande gekommen, dass mutige Menschen sich nicht von ihren Überzeugungen haben abbringen lassen. Dass aus ihnen keine neuen Tyrannen wurden, hing oft damit zusammen, dass sie ihre Ehrfurcht vor Gott bewahrt haben.
Gott letztlich die Ehre zu geben und die letzten Dinge anzuvertrauen kann einen davor bewahren, im vermeintlich Richtigen doch das Falsche zu tun.

Bewahre uns Gott!
Amen!

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