4.Mose 21,4-9 Predigt am Sonntag Judika 2018

Liebe Gemeinde,
Endlich Urlaub! Was erwarten wir? Schönes Wetter, ein angenehmes Hotel oder eine andere gute Unterkunft. Eine Anreise ohne Verspätung und ohne Nervereien mit dem Zoll oder dem Einchecken. Keinen Streit; eine gute Reiseorganisation! Und ganz wichtig: Schmackhaftes und vielseitiges Essen. Der Urlaub ist etwas Besonderes und Kostbares! Ein bisschen Paradies, Urlaubsparadies, ein Stück Land, in dem Milch und Honig fließen, um es biblisch auszudrücken. Nach der Anreise kommt dann das erste Abendessen am Buffet: Alles ist lecker angerichtet. Man weiß gar nicht wo man zuerst zulangen soll und schaufelt sich immer zu viel hinein. Nach einer Woche, weiß man dann, wo was steht und was einem schmeckt und was weniger. Nach zwei Wochen ist das reichliche Buffet langweilig, weil man alles kennt und alles ausprobiert hat. Die Leute, mit den Badelatschen und Muskel T-Shirts im Restaurant gehen einem auf den Nerv. Und der Animateur hat auch immer die gleichen Sprüche drauf.

Es war kein Urlaub. Viel mehr: ein Aufbruch auf Dauer in ein erhofftes Paradies: Ein Land in dem Milch und Honig fließen. Aus Ägypten sind die Israeliten aufgebrochen, aus der Sklaverei. Gott hat ihnen eine Zukunft in einem Land, in dem Milch und Honig sprießen zugesagt. Ihr Reiseleiter heißt Mose. Er hat sich den Job nicht ausgesucht, sondern ist gegen seinen Willen dazu ernannt worden. Schon kurz nach dem Aufbruch gibt es das erste Problem: Das Schilfmeer! Die Reise stockt, von hinten drängen die Ägypter. Es droht der Abbruch des Aufbruchs. Wieder: Sklaverei, Schuften, gefangen sein unter den Zwängen und Bedürfnissen anderer? Dann ein Wunder: Es geht weiter!
Doch auf der anderen Seite des Meeres ist Wüste, fehlt es an Essen und Trinken. Das Volk nölt, meckert, beschwert sich bei Mose. Der bittet Gott um Hilfe und tatsächlich: Wasser kommt aus dem Felsen, Brot fällt vom Himmel. Kein Buffet, aber immerhin: Es reicht, um satt zu werden. Weiter geht´s!
Schließlich nach Jahren der Wüstenwanderung haben sie das Ziel vor Augen. Sie blicken auf das gelobte Land. Sie schauen vom Gebirge hinunter in das Jordantal. Fast am Ziel. Doch dann gibt es Ärger mit dem König von Edom. Die Einreise zum Ziel ist nicht möglich. Die Grenzen sind dicht. Man will sie nicht, die Flüchtlinge. Umkehren! Wieder in die Wüste! Wieder den Weg zurück, Richtung Schilfmeer. Das Volk hat die Nase voll. Ständig das gleiche Essen (Brotzeug steht da wörtlich)! Es ekelt! Das Volk murrt. Und Mose kriegt alles ab. Klar einer muss herhalten. Aber Mose hat das nicht verdient. Und Gott? Das Volk ärgert sich auch über Gott. Es hadert mit Mose und mit Gott. Irgendwie verständlich, aber: Nun hat auch Mose offensichtlich genug: Diesesmal bittet er nicht für das Volk! Und Gott? Er hat doch bisher immer geholfen. Doch nun hat auch er genug von dem ständigen Gemeckere, auch wenn es verständlich ist. Gott schickt Schlangen.
In der Wüste gab es immer schon Schlangen, aber bislang wurden sie nicht als Plage empfunden. Jetzt aber beißen sie. Hat Gott seine schützende Hand weggezogen?
Die Unzufriedenheit lässt Gift zu. Das Gift verbreitet sich. Und das kann tödlich sein.

Doch nun geschieht wie ich finde etwas Besonderes: das Volk wird nicht noch verdrießlicher, hackt nicht noch mehr auf Mose und Gott herum, sondern denkt nach: Was ist passiert? Was ist anders? Haben wir Anteil daran, dass etwas anders geworden ist? Liegt es vielleicht nicht nur an Gott und nicht nur an Mose, sondern auch an uns? Das Volk kommt zur Einsicht: Wir haben gesündigt! So beichten Sie Mose. Das ist Zeichen menschlicher Größe, wenn ein Volk zur Einsicht kommt. So oft tun sich Menschen schwer einsichtig zu sein. So oft nehmen Völker Rechte für sich in Anspruch nimmt und halten sie anderen vor. Und ich höre diese Worte der Einsicht gerade jetzt in einer Zeit, in denen Menschen ohne einen Funken Einsicht bellen: Wir sind das Volk! Oder: Diese oder jene Nation zuerst! Ein Buß und Bettag wurde früher einmal von den Regierenden für das Volk eingerichtet und ist schon vergessene Geschichte. Dass ein Volk oder viele Völker und mit ihnen die Religionen Verantwortung tragen für die eigene Geschichte und das der Mitvölker ist und bleibt eine der Hauptaufgaben der Menschheit. Der Traum, dass es diesen gemeinsamen Aufbruch nach dem zweiten Weltkrieg mit einer effektiven UNO gäbe, ist derzeit in weiter Ferne. Einsicht und Vertrauen! Das bräuchte es! Und weil es das sooft nicht gibt, bleibt nur Verzweiflung oder eine kindliche Bitte:

„Bitte für uns Mose, dass Gott die Schlangen wegnehme!“ Verständlich. Probleme hat es genug gegeben. Endlich ein Zipfel vom gelobten Land in der Hand halten, einmal schmecken und riechen wie das ist: wenn nicht alles, aber vieles da ist, was das Leben reich macht und nicht gleich in langer Weile versinkt! Einmal Land betreten, aus dem man nicht mehr vertrieben wird. Einmal Nachbarn neben sich haben, mit denen man trotz aller Unterschiede gut auskommt. Keine Angst vor dem Alt werden und keine Sorge um den Nachwuchs.
Doch das ist ein Traum. Zunächst jedenfalls, denn die Schlangen sind nicht weg. Das Gift liegt immer noch tödlich bereit.

Du musst achtsam sein, damit es Dich nicht erwischt! Aber das Leiden, die Sorge und die Gefahr lässt sich nicht vermeiden. Im Leben wird man immer wieder in Wüsten zurückgeschickt. Man muss sich immer wieder neu orientieren. Das Leben ist ein Weg. Das Ziel ist im Kopf und vielleicht auch vor Augen. Aber Leben ist ein ständiger Aufbruch, begleitet von vielen Abschieden und Sackgassen und der notwendigen Umkehr.

Doch dieser Weg ist nicht ohne Hoffnung und Begleitung: Mose baut eine kupferne Schlange und befestigt sie auf Geheiß Gottes an einer Stange. Jeder der von einer Schlange gebissen wird soll hochschauen und wird leben.
 Nicht das Volk, sondern jetzt ist der einzelne gefragt. Das hat jemand beim letzten Bibelgespräch klug herausgelesen. Ein Volk hat Verantwortung, aber auch jeder Einzelne und jede Einzelne. Wenn Du die Gefahr in dir spürst, wenn Du merkst, wie Dein Körper und auch Deine Seele vergiftet, dann muss man selbst Verantwortung übernehmen. Selbst emporschauen. Wer nur den Blick auf den Boden gerichtet hat, der kann das Zeichen von Gottes Nähe nicht sehen.

Es ist klar, weshalb wir diesen Text heute in der Passionszeit hören: Bei uns geht es nicht um die kupferne Schlange, bei uns geht es um den Gekreuzigten. Nicht umsonst gibt es in vielen Krankenhäusern und Altenheimen Kreuze in den Zimmern. Wenn Du nicht mehr weiter weist, dann schau auf das Kreuz. Das macht Dich nicht gesund, aber das lässt Dich leben und wenn es gut geht, dann bekommst Du neue Kraft.

Nicht die eherne Schlange ist magisch und auch kein Kreuz. Es ist der Glaube, der einem Zuversicht gibt. Der Glaube, dass bei allen Tief oder Rückschlägen einer mitgeht und Dich nicht verlässt. „Fragst Du wer der ist. Er heißt Jesu Christ! Es ist kein andrer Gott. Das Feld muss er behalten!“ (Lied: Ein feste Burg, Strophe 2)

Amen!


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