24.9.2017 Lk.18,28-30 Vom Wahlrecht Gebrauch machen

15. Sonntag nach Trinitatis 24.9.2017
Vorspiel? / Votum
Lied 452 Er weckt mich alle morgen
Psalm  126   /EG 754
Ehr sei dem Vater
Bußgebet / Kyrie eleison
Gnadenzusage / Laudate omnes gentes
Tagesgebet
Lesung : 1.Petrus 5,5c-11 / Halleluja
Lied 369,1-3+7 Wer nur den lieben Gott lässt walten
Predigt Lk.18,28-30
Lied 663 Herr Deine Liebe
Credo /Friedensgruß
Fürbitten
Vater Unser
Lied 675 Laß uns den Weg der Gerechtigkeit gehn
Abkündigungen
Lied: 170,1 Komm Herr segne uns/
Segen

Vom Wahlrecht Gebrauch machen!        Lk. 18,28-30

Liebe Gemeinde,
heute wird gewählt in Deutschland. Vielleicht haben Sie hier auf der Insel Briefwahl gemacht? Ich habe einen Tag vor unserer Ausreise gerade noch meinen Wahlschein einwerfen können. Wählengehen ist ein kostbares Gut. Weil Menschen in so vielen Ländern nicht wählen dürfen, oder jedenfalls nicht frei, müsste eigentlich jeder zur Wahl gehen. Um deutlich zu machen: Ich will zumindest diese Freiheit zu Wählen erhalten.
Wählen ist aber eben auch keine Pflicht. Viele wählen nicht, weil sie meinen: Es bringt ja doch nichts. Sie wählen damit aber ja auch: Nämlich die Entscheidung, anderen die Wahl der Regierung bzw. der Opposition zu überlassen. Dennoch bleibt die Frage: Was bringt uns die Wahl zum neuen Bundestag? Verlässlichkeit? Wutbürger? Stabilität? Gerechtigkeit? Ungerechtigkeit? Erneuerung? Muss ich auf etwas verzichten oder habe ich einen Gewinn? Oder: weiter so?
Diejenigen, die bei Pegida und Co brüllen: Deutschland erlebt die größte Krise, verstehe ich nicht. Die meisten Menschen in Deutschland haben zu essen, die meisten haben ein Dach über dem Kopf. Arbeitskräfte werden sogar gesucht. Ich finde wir haben vielleicht nicht das beste, aber doch ein ziemlich gutes Bildungssystem. Wir können Urlaub machen. Und wir dürfen im Frieden leben. Es ist nicht alles gut, aber wer die Welt kennt, weiß, dass wir es als Deutsche im In und Ausland eigentlich sehr gut haben.
Das war zu Jesu Zeiten anders. Da hatten wenige das Sagen, und die meisten mussten den Befehlen von den Mächtigen folgen. Joseph und Maria durften nicht selbst entscheiden, ob sie nach Bethlehem gehen sollten oder nicht. Es geschah ja zur Zeit, als ein Gesetz vom Kaiser Augustus ausging. - Die Witwen hatten keine Rechte. Der Evangelist Lukas erzählt im gleichen Kapitel unseres Predigttextes von einer Witwe, die nur Recht bekommt, weil sie dem Richter schlichtweg auf die Nerven geht. Auch die Kinder hatten nichts zu sagen. Umso sensationeller, dass Jesus Kinder zu sich ruft und sagt: wer nicht wie ein Kind das Reich Gottes annimmt, der wird nicht hineinkommen. Ein Zöllner und ein Pharisäer hatten von ihrer Abstammung einen sozialen Stempel, den man offenbar nicht ablegen konnte. Der eine  war angesehen, der andere galt von vornherein als Betrüger. Nein Freiheit und Wahlmöglichkeiten hatten die Menschen damals nicht. Doch die Sehnsucht war groß nach Freiheit und Gerechtigkeit, nach Selbstbestimmung und Angenommensein, nach einem Leben, das mehr wert ist als die Zeit zwischen Geburt und Tod, nach ewigem Leben, nach einem Reich, das eigentlich nur von Gott kommen kann, nach Gottes Reich. Die Sehnsucht danach ist noch immer riesengroß!
Von diesem Reich erzählt Jesus in Worten und Gleichnissen. Er weckt die Neugier sogar von einem aus der Oberschicht: Herr, was muss ich tun, um das ewige Leben zu ererben? Jesus sagt: Befolge, die 10 Gebote! Das mach ich doch schon, sagt der Obere. Darauf Jesus: Dann verkaufe alles, was Du hast, gib es den Armen und folge mir nach!
Der Reiche wird traurig, denn einen so radikalen Lebenswandel will er nicht. Oder er traut sich nicht. Ich würde mich auch nicht trauen, alles aufzugeben, alles hinter mir zu lassen, auch wenn man hier als Dauerresident auf der Insel ja vieles hinter sich lässt. Aber keine Familie mehr? Kein Einkommen? Keine Altersvorsorge? Keine Kreditkarte? Kein Auto, um zum Einkaufen zu fahren? Kein Telefon? Kein Internet? – Mit wenig einmal im Kloster leben? Hat einen Reiz, aber nicht als Lebensentwurf. Ich finde die interessant, die sich mit 1€ auf den Weg machen und einmal um die Welt reisen; getragen von der Hoffnung, dass andere ihnen helfen, wenn sie als Gegenleistung vielleicht mitarbeiten oder einfach gute Geschichten erzählen. Aber was ist, wenn sie krank werden? Was ist, wenn sie alt sind und Pflege brauchen? Wer die Armut freiwillig als Lebensziel wählt, kann nur überleben, wenn andere, die ein bisschen Wohlstand haben, bereit sind, etwas abzugeben. Wer die Hilfe von anderen wie selbstverständlich voraussetzt, gerät in Gefahr zum Schmarotzer zu werden.
Armut ist nicht das ausschließliche Lebensziel für einen Menschen, der Jesus nachfolgen will. Jesus rügt ja sogar den, der aus seinem anvertrauten Hab und Gut nicht mehr macht. Auch Gott hat den Israeliten zugesagt, in ein Land ziehen zu können, in dem Milch und Honig fließen werden. Armut kennt andere Bilder!
Und doch haben Menschen immer wieder die Armut freiwillig gewählt. Haben alles hinter sich gelassen: Haben Familie Familie sein lassen, haben ihren Beruf an den Nagel gehängt, haben nur darauf gebaut, dass Gott sie erhält. Doch wofür? Was ist an einem solchen Leben besser als an einem bürgerlichen Dasein in relativem Wohlstand?
Petrus stellt diese Frage indirekt im Predigttext. Der reiche Mann hat Schwierigkeiten ins Reich Gottes zu kommen. Aber wir, sagt Petrus, wir Jünger haben doch alles, was wir hatten, verlassen und sind dir nachgefolgt! Wir haben freiwillig die Nachfolge Jesu gewählt, doch was haben wir davon? Eigentlich müssten wir doch mehr haben, als alle anderen!
Jesus antwortet auf diese Bemerkung, dass jeder, der Haus oder Familie um des Reiches Gottes willen verlässt, ein Vielfaches wieder bekommen wird in diesem und im ewigen Leben.
Ob Petrus das verstanden hat? Am Ende seines Lebens ist er bekanntlich verkehrt herum in Rom ans Kreuz genagelt worden. Das als Lohn für einen verzichtvollen Lebensstil zu bezeichnen ist zynisch!
Ob die ersten Christen aus der Gemeinde des Lukas das verstanden haben? Der römische Kaiser hatte ihnen die Pflicht auferlegt, zuerst den Kaiser zu verehren und dann konnten sie machen, was sie wollten, solange es den Staat nicht gefährden würde. Wer sich dem widersetzte wurde bitter bestraft. Da hielt man lieber den Mund. Da bekannte man sich lieber nicht zum christlichen Glauben, da stellte man die Sehnsucht nach Gottes Reich lieber ganz weit hinten an. Die Angst war da, dass man verlacht werden würde, wenn man sich zu dem Mann am Kreuz bekennen würde. Angst vor Verrat sogar in der eigenen Familie.
Mutig waren die, die sich trotzdem zu Jesus bekannt hatten. Die notfalls auch Familie und Haus zurückgelassen hatten, weil sie davon überzeugt waren, dass die christliche Botschaft das Reich Gottes, also das Leben aller Menschen im Miteinander in Frieden und Respekt voreinander, ermöglichen könnte.
Mutig sind die, die sich noch heute zum Christentum bekennen, allen Spöttern zum Trotz. Mutig sind die, die Nächstenliebe groß schreiben und nicht „ich zuerst“ oder „America first“. Mutig sind die, die an das Reich Gottes glauben und nicht nur an die Macht von Stärke und Geld. Mutig sind die, die auf Rechthaberei verzichten können und dafür Vergebung leben. Mutig sind die, die das Haben wert schätzen und nicht das immer mehr haben. Mutig sind die, die sich einmischen, wenn  Menschen geschädigt werden, anstatt feige weg zu gucken.
Ja, sie sind mutig, weil christliche Werte schon lange nicht mehr selbstverständlich sind. Wir haben die Freiheit, egoistisch zu leben und Eigennutz sogar ungestraft stolz in der Öffentlichkeit zu bekennen. Wir meinen die Freiheit zu haben, uns nur um den eigenen Kram kümmern zu dürfen. Ein Mann liegt bewusstlos in einer Bankfiliale und die Kunden steigen über ihn hinweg ohne zu helfen. Das hat eine Kamera aufgenommen. Und jetzt endlich hat ein Gericht diese Menschen wegen unterlassener Hilfeleistung zur Verantwortung gezogen. Solche Freiheit wird zur hässlichen Fratze.
Christliche Werte haben etwas mit der Freiheit zu tun, freiwillig auf einige eigene Freiheiten zu verzichten. Christliche Werte haben etwas damit zu tun, nicht alles machen zu müssen, was theoretisch machbar wäre. Christliche Werte haben etwas damit zu tun, nicht alles haben zu müssen, was verfügbar ist. Christliche Werte orientieren sich nicht daran, was möglichst billig ist, sondern was Produkte wirklich kosten sollten.Was haben wir davon?
Jesus sagt: Habt Mut diese christlichen Werte zu leben. Ihr werdet nicht den Verzicht spüren. Ihr werdet aber wissen, was Leben ist. Ihr werdet das Leben wertschätzen lernen in diesem Leben und Gott wird euch dafür sogar ewiges Leben schenken. Dieses Leben im Miteinander und in Bescheidenheit ist besser und kostbarer als die Gier nach ständig Neuem.
Wir haben die Wahl. Wir dürfen Gott sei Dank entscheiden wie wir unser Leben leben wollen. Jesus macht Wahlwerbung: Entscheidet Euch für das Leben im christlichen Sinne. Es wird sich lohnen. Verlasst Euch nicht auf das Haben. Verlasst Euch auf Gottes Reich.
Und so beten wir Sonntag für Sonntag: Dein Reich komme, wie im Himmel so auf Erden. Tägliches Brot gib uns und vergib uns Schuld, wie auch wir vergeben, wenn uns jemand etwas schuldet.

Amen!

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Adios!

Regenbogen-Noah und wir. kurze Predigt zu 1.Mose 8,18-9,17

Lukas 21,25-33 Gegen den Weltuntergang