Was uns die Schöpfungsgeschichte wirklich sagt. Predigt am Sonntag Jubilate 30.4.2023

11Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. 2Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis lag auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser.3Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. 4Und Gott sah, dass das Licht gut war. 26Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über die ganze Erde und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht.  27Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau. 28Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht.  31Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. 21So wurden vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer. 2Und so vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die er machte, und ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hatte. 3Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken, die Gott geschaffen und gemacht hatte.4Dies ist die Geschichte von Himmel und Erde, da sie geschaffen wurden.


Liebe Gemeinde

Ich werde dieses Jahr 62 Jahre alt. Eigentlich fühle ich mich noch halbwegs jung. Für gestandene Rentner auf Teneriffa bin ich ein Jungspund. Für Konfirmanden bin ich ein Grufti. Was bedeuten 62 Jahre? Was sagt das Alter eigentlich aus? Wie alt ich bin steht in meinem Pass. Sonst wüsste ich das ja gar nicht, weil ich mich an die eigene Geburt nicht erinnern kann. Der Personalausweis ist unglaublich wichtig. Ohne Perso kommt man hier nicht auf die Insel und auch nicht von der Insel wieder weg. Aber andererseits sagt der Personalausweis auch herzlich wenig über mich. Das abgebildete Gesicht auf dem Passbild ändert sich mit der Zeit, die Körpergröße auch, obwohl man doch immer der gleiche Mensch bleibt. Der Personalausweis sagt nichts über meine Lebenserfahrung, er sagt nichts aus, worüber ich mich freue und welchen Chancen ich hinterher trauere. Er dokumentiert meine Staatsangehörigkeit, aber er sagt nichts über den Ort an dem ich mich zu Hause fühle. 

Das eigentlich Wichtige ist doch, dass es mich und Dich gibt: Egal wie alt du bist. Egal wie schön dein Passbild ist. Egal, wie deine Nationalität im Pass lautet. Wichtig ist, dass wir einen Platz auf dieser Welt gefunden haben. Prima wäre es, wenn nicht nur wir zu uns selbst, sondern auch ein anderer  zu uns sagen würde: Gut, dass es Dich gibt. Nein besser noch: Es ist sehr gut sogar!

 

Davon erzählt die Schöpfungsgeschichte. Die Schöpfungsgeschichte am Anfang der Bibel ist kein Personalausweis der Erde. Sie sagt nicht wie alt die Erde ist. Sie hat noch nicht einmal das Interesse genau zu beschreiben, wie die Erde exakt entstanden ist. Wie oft muss ich mir anhören, dass Wissenschaft und Bibel sich gerade wegen der Schöpfungsgeschichte gegenseitig ausschließen würden. Es ödet mich an, wenn Äpfel mit Birnen verglichen werden. Wer behauptet, Wissenschaft und Bibel würden sich ausschließen, müsste auch behaupten, dass mein Personalausweis und meine persönliche Identität sich gegenseitig ausschließen.

 

Urknall und Evolution beschreiben die Entstehung der Erde und der Lebewesen. Das hat alles Millinen Jahre gedauert und ist nicht in 6 Tagen geschehen. Das sind die Verdienste der Wissenschaft: Der Geologie, der Physik, der Biologie und vielen anderen Disziplinen. Aber die Wissenschaft sagt uns nicht, welchen Ort wir auf dieser Erde einnehmen sollen. Sie sagt nicht, dass jeder und jede von uns wertvoll ist in der Millionenjahre alten Geschichte der Erde.

Aber die Schöpfungsgeschichte der Bibel erzählt es. Am Anfang schuf Gott. Um Gott geht es vor allem. Er war vor allem und ist noch und am Ende der Schöpfung ist er noch immer da. Am Anfang war alles ohne Ordnung; schlimmer als das Tohuwabohu in einem Kinderzimmer. Tohuwabohu steht da, wo Luther übersetzt "wüst und leer". Sinnloses Chaos also. Doch Gott schafft es, dem Chaos, dem Tohuwabohu, eine Ordnung zu geben, einen Sinn. Und zum Sinn der Schöpfung gehören offenbar Gegensätze: Licht und Finsternis; Land und Wasser. Wir würden kaputt gehen, wenn wir ständig die Nacht zum Tag machen würden; Das Land geht kaputt, wenn es kein Wasser mehr kennt. Gegensätze sollen sich ergänzen. Wer nur Freude kennt, kann mit Traurigkeit nicht umgehen und umgekehrt. Wer nur Hass erfahren hat, wird nicht mehr an die Kraft der Liebe glauben. Wenn Gegensätze sich ergänzen und nicht eine Seite übergewichtet wird und zur Katastrophe der anderen gerät, dann ist es gut. Gott schafft gerade in den Gegensätzen etwas Sinnvolles. Und immer wieder staunt er offenbar selber darüber, wie gut seine Schöpfung ist: „Gott sah an alles, was er gemacht hatte und siehe es war sehr gut.“ Darin liegt der Wert der biblischen Schöpfungsgeschichte. Das erzählt uns keine Wissenschaft. Im Gegenteil, wenn die Geschichte der Evolution alleine das Sagen hätte, würde sich immer nur das Stärkere, das Dominante durchsetzen. Das Schwache hätte keine Chance. Die Schöpfungsgeschichte hat dagegen das Ganze im Blick. Alles hat seine Berechtigung und seine Zeit: Land und Meer, Unkraut und Bäume, die Früchte tragen; Säugetiere, Fische und Vögel; der kleinste Wurm und das größte Rindvieh. Alles hat seinen Ort und alles hat seine Zeit. Und Gott sagt, dass es nicht nur gut, sondern sehr gut war.

Schließlich kommt der Mensch ins Spiel: Gottgleich und ausgestattet mit der Fähigkeit zu herrschen, zu bestimmen und sich die Erde untertan, beziehungsweise zu Nutzen, zu machen. Schon die Bibel berichtet also, dass der Mensch die Fähigkeit hat, wie ein Gott zu handeln. Der Mensch ist nicht nur mit einem Gehirn ausgestattet; bei dem einen oder anderen mehr oder weniger groß oder sinnvoll genutzt. Der Mensch kann sogar künstliche Intelligenz programmieren.  Wir könnten zum Mond fliegen und wir können das Leben immer mehr verlängern. Brauchen wir da noch Gott?

 

Die Schöpfungsgeschichte mahnt uns: Der Mensch ist nicht letztlich in der Lage zu sagen: Dieses oder das ist sehr gut. Vieles von dem, was wir schaffen scheint zunächst gut, wirft dann aber doch ungeahnte Probleme auf. Die Debatte um die Energie der Zukunft macht das ja gerade mehr als deutlich. Die unermessliche Vielfalt der Angebote im massentourismus lassen mich immer wieder fragen: Darf man alles, was Mensch kann? Ist das, was wir können immer sehr gut?

Die Schöpfungsgeschichte gibt uns da keine eindeutige Antwort. Sie sagt nur, dass der Mensch auch ein Geschöpf Gottes ist. nicht weniger, aber auch nicht mehr. Ein sehr gut Geschaffenes freilich. Aber der Mensch tut gut daran, sich nicht über seinen Schöpfer zu erheben. Es wird gefährlich, wenn man meint auf Gott zu verzichten zu können. Das wäre so, als würde man einem Baum die Wurzeln kappen.

Darum endet der Schöpfungsbericht eben auch nicht mit dem Menschen, sondern mit dem Schabbat, dem Ruhetag. Auch das Nachdenken, was eigentlich der Sinn des Daseins ist, gehört zum Leben dazu. Was macht mein Leben aus? Wo ist mein Ort an dem ich mich wohl fühle? Und wo ist der Ort an dem ich meine Fähigkeiten und Begabungen einbringen kann? Welche Zeit nutze ich, damit nicht nur ich selber sondern ein anderer zu mir sagt: Das war sehr gut? Wann sage ich einem anderen: Das hast Du echt gut gemacht!

Die Schöpfungsgeschichte predigt ja vor allem, nicht alles Selbstverständlich zu nehmen. Das ist vielleicht die größte Sünde von uns Menschen, dass wir vieles für Selbstverständ-lich halten: Frieden und ein Zuhause; Essen und Trinken; Geld haben und Urlaub machen können. Alles was sehr gut ist, ist ein Geschenk. Deshalb gilt es damit klug und verantwortungsvoll umzugehen; und ich füge hinzu: auch dankbar zu sein; vielleicht sogar demütig. Hochmut und Überheblichkeit jedenfalls passen nicht zur Schöpfungsge-schichte. Hochmut und Überheblichkeit zerstören womöglich all das, was sich ergänzen soll; dann gerät das Schwache und Kleine aus dem Blick. Doch genau dazu hat uns Gott diese Erde geschenkt. Wir dürfen sie nutzen und wir sollen alle Geschöpfe und alles Geschaffene Wertschätzen. Das ist der Sinn des Lebens. Und deshalb bist Du und bin ich wichtig auf dieser Erde. Und wenn es Dir heute noch keiner gesagt hat: Gott schaut Dich an und sagt: „Sehr gut, dass es Dich gibt.“ Das sagt uns kein Personalausweis und keine Wissenschaft. Das sagt aber die Bibel. Gott sei dank! Amen!

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