Gott hat uns nicht den Geist der Furcht gegeben. Predigt am 27.9. zu 2. Timotheus 1,7-15

 7 Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. 8 Darum schäme dich nicht des Zeugnisses von unserm Herrn noch meiner, der ich sein Gefangener bin, sondern leide mit für das Evangelium in der Kraft Gottes. 9 Er hat uns selig gemacht und berufen mit einem heiligen Ruf, nicht nach unsern Werken, sondern nach seinem Ratschluss und nach der Gnade, die uns gegeben ist in Christus Jesus vor der Zeit der Welt, 10 jetzt aber offenbart ist durch die Erscheinung unseres Heilands Christus Jesus, der dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hat durch das Evangelium, 11 für das ich eingesetzt bin als Prediger und Apostel und Lehrer. 12 Aus diesem Grund leide ich dies alles; aber ich schäme mich dessen nicht; denn ich weiß, an wen ich glaube, und bin gewiss, dass er bewahren kann, was mir anvertraut ist, bis an jenen Tag. 13 Halte dich an das Vorbild der heilsamen Worte, die du von mir gehört hast, im Glauben und in der Liebe in Christus Jesus. 14 Dieses kostbare Gut, das dir anvertraut ist, bewahre durch den Heiligen Geist, der in uns wohnt. 


Liebe Gemeinde,

Im Studium, wenn es heiß war, radelten wir oft an einen See. Es war ein gefluteter alter Basaltsteinbruch in einem erloschenen Vulkankrater in der Nähe von Göttingen. Mein Studienkamerad war zwar nicht so ein guter Schwimmer wie ich, aber er war viel mutiger. Er schwamm durch den See und kletterte die gegenüberliegende Felswand hoch. Und dann sprang er aus etwa 8m Höhe in die dunklen Fluten. Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. Ich stieg auch hoch, mir klopfte das Herz: Doch feige sein, wollte ich auch nicht! … und so sprang ich.

 

Gott hat uns nicht den Geist der Furcht gegeben, sondern…? Ja was ist das Gegenteil von Furcht? Mut?

 

Später wurde der See zum Baden gesperrt. Ich habe gelesen, dass es gefährlich war, vor allem unterhalb jener Felswand. Da wären Stahlträger aus der Zeit des Steinbruchs in die Wand eingelassen, die nun durch das Wasser bedeckt, nicht sichtbar waren. Ich mag gar nicht daran denken, wenn wir damals bei unseren Sprüngen auf so einen Stahlträger geschlagen wären.

 

Das Gegenteil von Furcht mag Mut sein. Ich habe großen Respekt vor Menschen, die mutig sind und oft genug wünschte ich mir selber etwas von diesem Mut:

Jesus ist mutig.  Er tut das, was richtig ist, auch wenn er damit Ärgernis auslöst. Paulus ist mutig. Er traut sich vom Saulus zum Paulus zu werden. Es gibt ja nicht viele Menschen, die ihre Fehler eingestehen können und einen neuen Weg für sich finden. Martin Luther war mutig, als er an seinen Überzeugungen auf dem Reichstag zu Worms festhielt, auch wenn er mit der Verhaftung rechnen musste. Die Demonstranten in Minsk sind ebenfalls mutig, weil sie Demokratie statt Diktatur wollen. Der Mann am Bahnhof ist mutig, als er sich gegen einen jungen Mann stellt, der zwei Frauen belästigt und geschlagen hat. Nur Menschen, die einmal Mut bewiesen haben, haben in der Geschichte etwas bewirkt, auch wenn sie dafür leiden mussten.

 

Es würde uns Christen heute wohl nicht geben, wenn die ersten Christen alle dem Geist der Furcht nachgegeben hätten. Sie wurden verspottet und bedroht. Der Apostel Paulus sitzt im Gefängnis und er weiß, dass er da nicht mehr ungeschoren rauskommt. Sein junger Weggefährte Timotheus wird dadurch unsicher. Er ist nicht so mutig wie Paulus. Ist es nicht besser, erst einmal nichts zu tun, abzuwarten; sich nicht einzumischen? Bildlich gesprochen: Ist es nicht besser, nicht zu springen, weil man sonst hart landen könnte?

 

Da schreibt ihm Paulus und erinnert ihn an seine Aufgabe:

Gott hat uns nicht den Geist der Furcht gegeben, sondern den Geist des Mutes. So sollte man eigentlich denken. Aber das Gegenteil vom Geist der Furcht ist hier eben nicht Mut, sondern: Gott hat uns den Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit gegeben.

 

Als wir damals von der Felswand gesprungen sind, waren wir mutig aber eben nicht besonnen. Das ist ein gravierender Unterschied. 

Sich aus Sorge vor Corona gar nicht mehr nach draußen zu bewegen zeugt vom Geist der Furcht. Stattdessen auf alle Vorsichtsmaßnahmen zu pfeifen, keine Masken zu tragen und möglichst dicht gedrängt an der Kasse vom Supermarkt stehen oder gar ordentlich zu feiern zeugt weder vom Geist der Besonnenheit und erst recht nicht der Liebe. Den richtigen Weg zu finden zwischen Mut und Furcht erfordert oft Klugheit und Selbstdisziplin. Das braucht Kraft, auch: mentale und geistige Stärke. Und das wiederum braucht ein gesundes Verständnis für das, was ich brauche, aber eben auch für das, was meine Mitmenschen brauchen. Die Bibel nennt das Liebe, Liebe zu mir selbst und zu meinem Nächsten.

 

Manchmal habe ich den Eindruck, dass diese Fähigkeit -den Weg zwischen Furcht und manchmal leichtsinnigem Mut zu finden - weniger wird. Umso mehr weiß ich den Hinweis von Paulus zu schätzen mit dem er Timotheus aber eben auch uns daran erinnert, dass wir als Christen von Gott den Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit bekommen haben. Paulus weiß, dass Menschen sich oft leichter tun, wenn sie nur zwischen gut und böse, zwischen richtig oder falsch, zwischen Furcht oder Mut entscheiden müssen. Wenn also alles eindeutig ist. Aber unser Leben ist eben nicht immer eindeutig. Vieles was richtig erscheint, erweist sich später als falsch und umgekehrt. Da sind also Kraft, Liebe und Besonnenheit gute Fähigkeiten, die uns vor einem schwarz- weiß Denken, vor Leichtfertigkeit und Übermut oder purer Furcht bewahren. 

Wir sind nicht Gott. Wir haben nicht den Überblick, auch wenn wir heute vieles sehen und erforscht haben, was früher gar nicht im Sichtfeld war. Aber, so sagt Paulus: Jesus hat ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht, dem Tod ist die Macht genommen. Von Gott ist etwas zu uns gekommen. Wir sind deshalb keine kleinen Lichter mehr auf dieser Erde, sondern leben aus dem Evangelium Gottes; diese unglaubliche Zuwendung zu uns Menschen, dieses Zutrauen, dass wir diese Erde bebauen und bewahren können, mit allem was lebt, ungeachtet der gravierenden Fehler, die die Menschheit immer wieder begeht. Deshalb mischen wir uns ein. Wir haben den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Christen haben in dieser Welt etwas zu sagen. Aber eben nicht mit beinhartem missionarischem Einsatz, bei dem es nur Glaube oder Nichtglaube gibt, sondern mit dem Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Gott hat uns diesen Geist gegeben. Er ist schon da, - in Dir und in mir. Und er wirkt in dieser Welt, weil wir glauben und uns als Gemeinde in Gottes Namen versammeln.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Adios!

Regenbogen-Noah und wir. kurze Predigt zu 1.Mose 8,18-9,17

Lukas 21,25-33 Gegen den Weltuntergang