4 Denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist; ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft.
15 Denn ich weiß nicht, was ich tue. Denn ich tue nicht, was ich will; sondern was ich hasse, das tue ich.
16 Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, stimme ich dem Gesetz zu, dass es gut ist.
17 So tue ich das nicht mehr selbst, sondern die Sünde, die in mir wohnt.
18 Denn ich weiß, dass in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt. Wollen habe ich wohl, aber das Gute vollbringen kann ich nicht.
19 Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.
20 Wenn ich aber tue, was ich nicht will, vollbringe nicht mehr ich es, sondern die Sünde, die in mir wohnt.
21 So finde ich nun das Gesetz: Mir, der ich das Gute tun will, hängt das Böse an.
22 Denn ich habe Freude an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen.
23 Ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das widerstreitet dem Gesetz in meinem Verstand und hält mich gefangen im Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist.
24 Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von diesem Leib des Todes?
25 Dank sei Gott durch Jesus Christus, unsern Herrn! So diene ich nun mit dem Verstand dem Gesetz Gottes, aber mit dem Fleisch dem Gesetz der Sünde.
Ich hatte es eilig:
Ganz plötzlich ein Termin. Jemand wartet am "Haus der Begegnung" auf mich. Ich hetze zum Auto. Das Tor der Tiefgarage geht langsamer auf als normal. An der Einmündung zur Straße von Chayofa nach Playa de las Americas nutze ich eine Lücke im dichten Verkehr. Kavalierstart, damit es gerade noch passt. Sollte man nicht tun, weiß ich. Man darf 90 fahren. Vor mir fährt ein Mietauto - klar: Ein Tourist. Er genießt den Ausblick von hier auf das Meer. Tempo 60! Es ist ein bisschen riskant, aber ich überhole. Darf man zwar, sollte man aber eigentlich nicht tun. Ich weiß. Aber ich muss, denn ich habe einen Termin. Deshalb fahre ich auch ein schneller als 90. Hier wird ja nicht geblitzt. Ich bin in Eile, obwohl ich das hasse!
Paulus schreibt:
Ich tue nicht, was ich will; sondern was ich hasse, das tue ich! Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, so stimme ich dem Gesetz zu, dass es gut ist.
Jan wollte immer ein guter Ehemann und Vater sein. In guten und in schlechten Tagen. Er wollte die Familie ernähren und Zeit haben. Abends mit der Frau reden können und morgens mit den Kindern frühstücken. Arbeit ist Arbeit und Familie ist Familie. Das wollte er sauber trennen. „Papa? Spielst Du noch mit mir?“ fragte der Kleine, als er abends von der Arbeit nach Hause kam. Doch er war kaputt. Stress im Büro, keine Zeit gehabt alle Aufträge abzuarbeiten. „Es tut mir leid!“ sagt er zu seinem Sohn. „Heute nicht, morgen! Versprochen.“ Als die Frau erzählt, was heute alles im Kindergarten los war, hört er nur halb zu. Da klingelt das Telefon. Der Abteilungsleiter ist am Apparat: „ Ja, morgen! Tut mir leid, dass das so plötzlich… Ja sie fliegen morgen um 6:50 nach Mailand…X ist krank geworden. Wichtige Besprechung. Flug und Hotel habe wir schon für Sie gebucht. Gut, dass Sie so flexibel sind! Nur solche Leute können wir gebrauchen. Grüßen, Sie Ihre Frau!“
Paulus schreibt:
„Ich bin fleischlich, unter die Sünde verkauft…“ und: „ Ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das widerstreitet dem Gesetz in meinem Verstand und hält mich gefangen im Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist.“
Maria wollte eigentlich Lehrerin werden. Ein eigenes Leben, ein eigenes Auskommen. Auf eigenen Füßen stehen. Ganz anders als das bei ihrer Mutter war. Mit 18 ist Maria schwanger geworden. Die Schule hatte sie daraufhin abgebrochen. Genau wie ihre Mutter. Sie war für ihr Kind da und dann für den Mann. Doch zufrieden war sie nie. Die Ehe ging kaputt. Nun war sie alleinerziehend. Wie ein Stempel auf der Stirn. Mit 30 und einem Kind? Eine neue Partnerschaft? Ein guter Job? Sie lebt, - aber sie fühlt, als sei das Leben schon vorbei, irgendwie tot.
Paulus schreibt:
„Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von diesem Leib des Todes?“ Und zuvor:
„Wenn ich aber tue, was ich nicht will, vollbringe nicht mehr ich es, sondern die Sünde, die in mir wohnt.“
Wer bestimmt also, was ich tue und was ich nicht tue? Schicksal? Mein Verstand? "Ich entscheide selbst, was gut für mich ist!" behaupten etliche Menschen äußerst selbstbewusst. Für Hirnforscher ist das seit den 80er Jah-ren längst nicht so selbstverständlich. Der Amerikaner Benjamin Libet stellte fest, dass Gehirnströme Handlungen lenken, bevor der Verstand meint entschieden zu haben. Professor John Dylan Haynes an der Berliner Charite hat nun diese These deutlich in Frage gestellt: Der Mensch ist sehr wohl fähig, Entscheidungen des Unterbewusstseins zu korrigieren. Und das, was unsere Entscheidungen letztlich prägt, sind die Erfahrungen in unserem Leben.
Paulus schaut auf dieErfahrungen in seinem Leben. Ihn quält, dass er einmal dachte es sei gut und nötig, Christen auszumerzen. Abweichler von der jüdischen Tradition gefährden den Glauben, die Kultur, das Gemeinwohl. Das war früher. Jetzt ist er, der ehemalige Verfolger selber Christ und zu einem Verfolgten geworden. Aber das schlechte Gewissen nagt. Er weiß: für mein Handeln bin ich verantwortlich. Paulus hat nicht das getan, was er tun wollte oder hätte tun sollen. „Die Sünde bestimmt mein Leben“, sagt er.
Paulus weiß, dass dieser Widerspruch von Wollen und Tun im Leben nicht nur sein persönliches Problem ist. Kein Mensch erreicht alle seine Ziele, keiner lebt moralisch einwandfrei. Immer wieder gibt es den inneren Schweinehund, der uns hindert das eigentlich notwendige auch wirklich zu vollbringen. Und immer wieder gibt es den Leichtsinn, etwas zu tun, was man später bereut. Ohne Gesetze, auch ohne die Weisungen der 10 Gebote, die uns Grenzen setzen, geht es nicht.
„Ist das Gesetz Sünde?“ fragt Paulus und gibt gleich die Antwort: „Das sei ferne!...“Das Gesetz, die Tora, dient zum Leben. Und die Tora, wie jedes Gesetz, ist notwendig, weil Menschen oft denken, alles selbst entscheiden zu dürfen (und zu müssen!)
Wie fatal das ist, merke ich immer wieder, wenn in Stuttgart Feinstaubalarm ist. Jeder dürfte mittlerweile wissen, dass das kein Kinderspiel ist. Man soll freiwillig auf das Auto verzichten, Busse und Bahnen sind an solchen Tagen sogar günstiger oder gar umsonst. Trotzdem gibt es keinen nennenswerten Rückgang des Verkehrsaufkommens. Freiwilligkeit ist gut, aber oft genug siegt der Schweinehund, die Sünde in dem Menschen, das Fleisch gegenüber dem Geist.
„Wer wird mich erlösen von diesem Leib des Todes?“ fragt Paulus. "Dank sei Gott durch Jesus Christus, unserem Herrn!" Und gleich darauf: „So gibt es denn keine Verdammnis für die, die in Christus sind!“
Das klingt nach Aufatmen. Nach Lösung aller Probleme. Nach Vergebung, die frei macht. Und so ist es auch gemeint. Das will Paulus den Christen in Rom sagen: Glaube an Gott erlöst, mehr als jedes gute Handeln! Martin Luther wird das später zum Kern seiner Entdeckung machen und radikalisieren: Sola Fide! Allein der Glaube rettet den Menschen vor Gott und kein noch so gut gemeintes Handeln!
Aber geht das so einfach wirklich?
Werde ich tatsächlich mein schlechtes Gewissen durch den Glauben los? Befreit mich der Glaube wirklich von den Sehnsüchten nach einem erfüllten Leben nach vielen verpassten Chancen? Reicht es zur Rechtfertigung, wenn jemand sich „in Christus fühlt“ aber z.B. die Opfer von Kindesmissbrauch in der Kirche weiterhin Verletzungen an der Seele haben?
Nein so einfach geht das alles nicht! Der Glaube an Christus entbindet uns nicht von der Verantwortung für das eigenen Tun und Leben. Damit befreit der Glaube auch nicht von Sünde und Schuld. Der Glaube aber ermöglicht es, sich Christus zuzuwenden und mit Paulus ehrlich zu bekennen: Ich elender Mensch! Keiner kann sagen: „Entschuldigung!“ und meinen, damit sei alles gut. Ich kann nur um Entschuldigung bitten. Ob ein anderer mich dann ent-schuldet, das muss der andere entscheiden. Und damit fällt Strafe oder Gnade.
Bei Christus aber ist mir zugesagt: Gnade! Darauf kann ich mich verlassen. Ich kann neu überlegen, neu handeln, zu meinem Wohle und dem der Menschen, die mit mir leben und nach mir auch noch leben wollen. Der Mensch ist sündig. Gerade deshalb haben wir Verantwortung. Glauben heißt Leben mit Gottes Regeln, auch wenn nicht alles gelingt. Gott helfe uns und vergebe unsere Fehlerhaftigkeit. Amen!
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