Jesaja 5,1-7 Gottes Weinberg und die rote Linie am 25.2.2018 (Reminscere)

Liebe Gemeinde,
Als ich in Bremen Pfarrer war, habe ich immer davon geträumt, einmal auf der Terrasse am Pfarrhaus zu sitzen - unter einer Weinlaube. Im Herbst ,so dachte ich: in goldener Oktobersonne sitze ich da und die fetten Trauben hängen über mir: Süß und saftig.
Nun ist meine Heimatstadt Bremen zwar für den Ratskeller-wein berühmt, aber nicht als bevorzugte Weinlage. Aber warum soll man nicht versuchen, seinen Traum zu verwirklichen?
Ich kaufte mir also zwei Rebstöcke, pflanzte diese ein. Ich düngte und lernte den Weinstock zu schneiden. Vier Jahre dauerte es, bis ich so eine Art Weinlaube hatte. Aber es be-durfte noch mehr Arbeit und noch mehr Pflege, noch mehr Aufmerksamkeit bis tatsächlich die ersten Trauben mich an-lachten. Die süßen Beeren fraßen allerdings die Vögel und die anderen, sagen wir so: die waren sehr trocken, extra brut sozusagen. Vielleicht lag es am Sandboden, mit Sicherheit an meinem Amateurwissen und das weiß ich aus meiner letzten Gemeinde in der größten Rotwein Region Deutschlands: Es fehlte an Schädlingsbekämpfungsmittel gegen Mehltau und Schreckschussanlagen gegen Vogelfraß. Ich hätte irgendwann den Weinberg ausreißen sollen, denn Ertrag brachte er nicht; nur Arbeit. Ich habe ihn aber stehen lassen und meine Nachfolger haben sich offenbar an meiner Arbeit erfreut.

Von einem echten Winzer, einem Fachmann der Önologie berichtet der heutige Predigttext aus dem Buch Jesaja:

Jes. 5,1-7

Es ist einerseits tröstlich, dass auch der größte Fachmann ein-mal keinen Erfolg hat. Es ist wenig tröstlich, dass der Weinbauer durchaus geschäftlich vorgeht und sagt, wenn die Arbeit keinen Erfolg hat, dann mache ich einen radikalen Schnitt. Es ist noch weniger tröstlich, wenn man merkt, dass der Weinbauer deutlich seine Enttäuschung über seine vergebliche Liebesmüh zeigt. Und es stellt sich sogar ein schlechtes Gewissen ein, wenn man merkt, dass hier kein Fachvortrag über Weinbau sondern ein Gleichnis vorliegt:
Der Weinbauer ist Gott. Der Weinberg ist das Volk Israel. Gott bemüht sich in grenzenloser Liebe und das Volk schert sich darum einen feuchten Kehricht. Gott führt das Volk aus der Sklaverei in die Freiheit und anstatt in und für die Freiheit zu leben, werden Schwache unterdrückt und statt Recht zu sprechen, gehen böse und hinterhältige Worte aus dem Mund der von Gott geliebten Menschen. „Auf Rechtsspruch geschieht Rechtsbruch, statt Gerechtigkeit gibt es Geschrei über Schlechtigkeit.“
Fast unerträglich wird dieser Bibeltext, wenn man sich fragt: Könnte ich damit auch gemeint sein?

Sind wir als Christen, ist die Kirche, ist meine Gemeinde viel besser als das Haus Israel? Könnte es sein, dass Gott wirklich einmal die Nase voll hat von seinen Menschen, in die er soviel Liebe investiert hat? Kann es sein, dass all die Predigten von der Liebe Gottes vielleicht wohl gemeint, aber letztlich doch falsch sind? Kann es sein, dass es auch für Gott eine rote Linie gibt, die nicht überschritten werden darf?

Die Bibel kennt diese rote Linie: Adam und Eva haben das gespürt, als sie vom Baum der Erkenntnis gegessen haben. Alles Reden und Entschuldigen, Verweisen auf die Hinterlist der Schlange war vergeblich. Der Mensch ist für sein Handeln verantwortlich, nicht Gott und auch sonst niemand. Alles Schönreden hat nicht geholfen. Das Paradies auf Erden ist verloren für immer und ewig! - Auch Jesaja benennt diese rote Linie: er benennt Korruption, die unrechtmäßige Vorteilsnahme. Er benennt, wie Leute den eigenen Vorteil suchen, aber nicht das Gemeinwohl. Er benennt, wie Leute Unwahrheiten über andere verbreiten. Doch anstatt selbstkritisch sich zu besinnen und um zu kehren, bestrafen sie den kritischen Propheten. 
Jesaja ahnt, dass das nicht gut geht: Wer die rote Linie Gottes überschreitet muss mit Konsequenzen rechnen. Die Liebe Gottes trägt nicht mehr. Das Volk Israel verliert  durch sein Verhalten den bewahrenden Segen. Im Jahre 701 vor unserer Zeitrechnung erobern die Assyrer Juda und der Traum vom unbeschwerten Leben unter Gottes Segen erlischt. Noch einmal 100 Jahre später hört der judäische Staat auf zu existieren. Es beginnt das babylonische Exil.

Das Lied vom Weinberg macht mich nachdenklich. Und genau das ist wohl die Absicht: Wir sollen Nachdenken über unser Leben, über unser Verhalten. Wir sollen spüren, wie Gott sich Mühe gibt mit uns. Wie er uns pflegt und hegt wie ein guter Weingärtner; -  wie er sich uns zuwendet, wie er mit Menschenkenntnis sich um uns kümmert; wissend darum. dass wir fehlerhaft sind. Wissend darum, dass es vielleicht lange dauert, bis sich gute Früchte einstellen. 
Aber wenn wir uns konsequent weigern, gute Früchte zu bringen, dann kann es eben auch Konsequenzen geben. 
Wir sind in der Passionszeit, der Leidenszeit. Wir denken daran, wie Gott wegen uns Menschen leidet: er schickt seinen Sohn Jesus Christus, um uns das Leben zu zeigen. Jesus lebt vor, wie man Menschen liebt: auch die Fremden, auch die Kranken und Behinderten. Er zeigt uns, wie leer Vorurteile sind, wie wertvoll es dagegen ist, in jedem Menschen auch Gotteswürde zu sehen. Er sagt uns, wie dumm manche Sorgen um das Morgen sind. Er schreibt in den Sand, wo andere schwatzen und verurteilen. Und er macht sich damit keine Freunde.

Am Ende steht das Kreuz. Die Unmenschlichkeit siegt. Lüge und Unbarmherzigkeit unter Menschen sind tödlich. Doch nicht der liebende Gott steht auf der Anklagebank. Es ist der Mensch, der trotz aller Liebe Gottes lieblos bleibt. Deshalb wird der Weinberg umgepflügt. Gott hat die Nase voll!

Keine Chance? 
Doch sagt die christliche Dogmatik. Gottes Liebe ist so groß, dass auch auf das Kreuz Auferstehung folgt. Doch sagt die Geschichte, denn auf die Zerstörung Israels folgte nach langer Durststrecke doch ein Neuanfang. Doch sagen wir, nachdem wir Deutschen nach unsäglichen Verbrechen wieder Teil der Völkergemeinschaft sind. Doch sagen wir, wenn die Passionszeit eine Zeit des kreativen Nachdenkens ist, und nicht nur eine inhaltsleere Note im Kalender.

Es macht schließlich Hoffnung, dass Gott den Menschen nicht von vornherein abschreibt, sondern ihm zutraut durch Liebe und Pflege, durch Zuwendung und Wertschätzung gute Früchte zu bringen: Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit. Gemeinsinn statt Eigennutz. Widerstand gegen Fakenews. Urteil statt Vorurteil. Behutsamkeit statt Vorschnelligkeit. Besinnen wir uns also darauf, was wir für Möglichkeiten haben, der Liebe Gottes zu entsprechen, Früchte zu bringen, gute Früchte!

Dann könnte es sein, dass wir uns nicht wie ausgerissene Rebstöcke fühlen, sondern wie Träumende: Unter grünen Reben, unter saftigen Trauben. Und es wird genug da sein, für Mensch und Tier. Dann wird das Kreuz austreiben, wie ein Weinstock im Frühjahr. Das tote Holz wird leben. Die Angst wird weichen. Aus Sorge wird Zuversicht. Gott, erinnere Dich Deiner Barmherzigkeit. Reminszere! 

Amen!

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